Dass die Schere zwischen
Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft, ist kein Geheimnis. Eher ungewöhnlich
ist in diesem Zusammenhang allerdings wohl die Frage, inwiefern die Bibel Anregungen
zur Lösung dieses Problems liefern kann. Damit hat sich die „internationale biblische
Konferenz“ in Ungarn in der vergangenen Woche beschäftigt. Vor Ort in Szeged war auch
die evangelische Theologin Jutta Hausmann, die in Budapest an der Evangelisch-Lutherischen
Theologischen Universität lehrt und seit 25 Jahren kein Treffen ausfallen ließ. Im
Interview mit Radio Vatikan spricht sie unter anderem über die Ökumene und über das
diesjährige Thema der Konferenz: Armut und Reichtum im Kontext der Bibel und der urchristlichen
Literatur.
„Dieses Thema ist besonders aktuell, zumal ja die wirtschaftliche
Situation in Ungarn im Augenblick doch durchaus kritisch ist und auch in den Nachbarländern,
aus denen doch ziemlich viele Teilnehmer kommen – sei es Rumänien, sei es Serbien
– die wirtschaftlichen Verhältnisse sehr schwierig sind und das Thema Armut und Reichtum
eine besondere Rolle spielt. Und letztlich spitzt sich das Problem ja auch weltweit
immer mehr zu.“
Inwieweit kann denn die Bibel in diesem Kontext helfen?
„Es
ist natürlich nicht so, dass es konkrete Hinweise gibt, was man tun kann, weil die
Texte ja nun doch aus einem ganz anderen soziokulturellen Kontext kommen. Aber: Grundfragen
dessen, wie arme und reiche Menschen leben, die in gleicher Weise Geschöpfe Gottes
sind – was das für Folgen hat im Umgang miteinander, da kann die Bibel nun in der
Tat wesentliche Impulse geben, um darüber nachzudenken, wie man das konkret – sei
es wirtschaftlich, sei es politisch – umsetzen kann.“
„In der Praxis
läuft die Ökumene gut“
Sie selbst werden ja bei der Konferenz mit dem Gnilka-Preis
ausgezeichnet – was bedeutet das für Sie?
„Als ich hörte, dass ich diese
Auszeichnung bekommen werde, war ich sehr gerührt. Das bedeutet einerseits für mich,
dass ich als deutsche Theologin im Kontext der Bibelwissenschaften in Ungarn wirklich
volle Akzeptanz gefunden habe. Und andererseits: Die internationale biblische Konferenz
in Szeged ist ja eigentlich eine katholische Konferenz mit sehr deutlichem ökumenischen
Einschlag. Vor diesem Hintergrund bedeutet es für mich noch einmal sehr viel, dass
ich als lutherische Theologin mit dem Gnilka-Preis ausgezeichnet werde – noch dazu
von einem Kollegen gestiftet, den ich sehr schätze.“
Wie sehen Sie denn
die Ökumene im Moment?
„Ich denke es ist sehr unterschiedlich. Auf der einen
Seite scheint es eine gewisse Abkühlung gegeben zu haben von der protestantischen
Seite aus. Das Dominus Jesus Papier hat uns nicht grade mit großer Freude erfüllt.
Auf der anderen Seite erlebe ich immer wieder – sei es in Deutschland, in Ungarn oder
auch in Österreich, wo ich hin und wieder zu tun habe – dass eigentlich in der Praxis
die Ökumene wirklich gut läuft und ich mich persönlich immer nur freuen kann über
die Offenheit mit der wir auch hier immer wieder ins Gespräch kommen.“
Antisemitismus
in Ungarn: Die Sensibilisierung für das Thema braucht Zeit
Sie sind auch
im christlich-jüdischen Dialog sehr aktiv. Wie sieht es in Ungarn mit Antisemitismus
aus?
„Ich sehe eine Reihe von ungarischen Freunden, die immer wieder am
Überlegen sind, ob sie nicht doch gehen, weil sie manches nur sehr schwer ertragen.
Wenn ich daran denke, dass die jüdische Philosophin Agnes Heller hier an der staatlichen
Uni in Budapest eines Tages an der Zimmertür eine Aufschrift fand ,Juden geht weg’
... Das sind Dinge, die hin und wieder durchaus zu spüren sind bei den jüdischen Menschen
hier und das tut einfach nicht gut.“
Schaffen Sie es denn, da ein bisschen
aufzuklären?
„Es wird auch eine ganze Menge getan, sei es auf kirchlicher
Seite, sei es auch von den Schulen her. Ich denke, auf der staatlichen Seite ist die
Situation im Augenblick sehr ambivalent: Auf der einen Seite wird deutlich formuliert,
dass man gegen Antisemitismus ist, auf der anderen Seite gibt es dann immer wieder
Menschen mit antisemitischem Gedankengut, die hohe Auszeichnungen bekommen, was dann
zu einem großen Widerspruch führt. Ich denke aber, es sind durchaus innergesellschaftlich
größere Ströme vorhanden, die deutlich versuchen, hier auch zu arbeiten. Aber in Deutschland
haben wir auch sehr, sehr lange gebraucht, um an der Stelle voranzukommen und man
kann hier sagen, es ging erst nach der Wende los, sich überhaupt etwas mehr mit dem
Thema zu beschäftigen.“