Syrien: Bischöfe plädieren für Neutralität des Libanon
Auch wenn es eine „nationale Pflicht“ darstellt, den zehntausenden syrischen Flüchtlingen
solidarisch beizustehen, so sei der Libanon gut beraten, seine Neutralität in der
konfliktträchtigen Region zu bewahren: Das hat der Rat der maronitischen Bischöfe
betont, der in der vergangenen Woche zu seiner monatlichen Vollversammlung in Dimane
- der Sommerresidenz des maronitischen Patriarchen Bechara Boutros Rai - zusammengekommen
war. Neutralität sei die einzig mögliche Antwort auf die vielen Gefahren, die die
Stabilität des Landes derzeit gefährden, berichtete die Stiftung „Pro Oriente“ von
der Vollversammlung.
Kritik übten die Bischöfe an der mangelhaften staatlichen
Organisation der Flüchtlingshilfe. Dies trage zu einer Destabilisierung des ohnehin
schon „fragilen gesellschaftlichen Gleichgewichts“ im Land bei. Neben den Gefahren
durch die umgebenden Konfliktherde verwiesen die Bischöfe jedoch auch auf die Gefahr
einer innenpolitischen „Lähmung“ des Landes. Korruption und überbordender Lobbyismus
verschärften die bestehende „wirtschaftliche und soziale Krise“, so die Bischöfe.
Umso notwendiger sei es daher, endlich eine Regierung zu bilden, die im Bereich
von Wirtschaft, Sozialsystem und Sicherheit Stabilität garantieren kann. Zugleich
müsse ein Wahlsystem eingeführt werden, das demokratische Praxis und Erneuerung der
Eliten durch eine „der Verfassung entsprechende authentische Vertretung aller libanesischen
Gruppierungen“ ermöglicht.
Entführte Bischöfe: Schicksal unbekannt
Weiterhin
unbekannt scheint das Schicksal der vor mittlerweile über 100 Tagen in Syrien entführten
beiden orthodoxen Bischöfe zu sein. „In Wahrheit wissen wir nichts über ihr Schicksal“,
zitierte der vatikanische Pressedienst „Fides“ den Assistenten des in Damaskus residierenden
syrisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochien, Ignatius Zakka I. Iwas. Zugleich rief
Metropolit Timotheus Matta Fadil Alkhouri zur Mäßigung im Blick auf zusehens blühende
Spekulationen über den Verbleib der Bischöfe Mar Gregorios Yohanna Ibrahim und Erzbischof
Boulos Yazigi auf. „Jede Woche gibt es wieder neue Geschichten“. Der Metropolit bestätigte
gegenüber „Fides“ jedoch, dass der ebenfalls entführte Jesuitenpater Paolo Dall'Oglio
sich persönlich für die Freilassung der entführten Bischöfe eingesetzt habe.
Welthungerhilfe
schlägt Alarm
Die Welthungerhilfe warnt indes vor einer Zuspitzung der humanitären
Lage in den „befreiten“ Gebieten in Syrien. Die Menschen seien dort, wo oppositionelle
Gruppen die Oberhand hätten, stärker von der Infrastruktur abgeschnitten als in Gebieten,
die von der syrischen Armee dominiert würden, sagte der Nothilfekoordinator des Hilfswerks,
Jürgen Mika, der deutschen katholischen Nachrichtenagentur (KNA). In den sogenannten
befreiten Gebieten gebe es oft keinen Strom, die Trinkwasserversorgung sei unzureichend,
Nahrungsmittel seien knapp.
Da die Getreideproduktion fast um die Hälfte eingebrochen
sei, spitze sich die Nahrungsmittelknappheit zu. „Die Ernte nächstes Jahr wird wohl
noch geringer ausfallen“, vermutet der Experte, der vergangenen Monat eine Hilfslieferung
nach Nordsyrien begleitete. Agrargeräte wie Wasserpumpen könnten mangels Sprit
und Ersatzteilen nicht eingesetzt werden.
Außerdem gebe es in den befreiten
Gebieten kein Bankenwesen mehr, so dass die Menschen nicht an ihr Geld kämen, so der
Experte. Aufgrund einer Inflation verliere das Geld ohnehin an Wert. „Die Menschen
besitzen meistens nur noch das, was sie am Leib tragen“, sagte Mika.