Pakistan: Lebenslang Haft wegen SMS ist kein Einzelfall
In Pakistan ist kürzlich
ein Christ wegen einer als blasphemisch bewerteten SMS zu einer lebenslangen Haftstrafe
verurteilt worden. Die Verteidigung des 28-jährigen Sajjad Masih Gill beharrt nach
wie vor auf seiner Unschuld und ruft zu Initiativen gegen das umstrittene Blasphemiegesetz
auf, aufgrund dessen der junge Mann verurteilt worden ist. Denn es handelt sich bei
der umstrittenen Verurteilung leider nicht um einen Einzelfall, beklagt Paul Bhatti,
Berater des Ministers für nationale Einheit und Bruder des im Jahr 2011 ermordeten
Ministers für Minderheiten, Shabaz Bhatti. Die Familie Bhatti gehört der christlichen
Minderheit Pakistans an.
„Wir können unmittelbar nicht viel tun. Wenn derartige
Fälle beim Session Court behandelt werden, also in erster Instanz, dann gibt es wenige
Sicherheiten und der Richter ist oftmals erhöhtem Druck und Drohungen ausgesetzt.
Dieser Fall ist durch einen Anwalt unserer Vereinigung verhandelt worden und er wird
nun Einspruch beim Hohen Gericht einlegen. Ich bin mir sicher, dass Sajjad Masi Gill
dort freigesprochen wird, denn es gibt keinerlei Beweise gegen ihn. Die SMS, die im
Zentrum der Anklage steht, ist noch nicht einmal von seinem Telefon abgeschickt worden,
sondern von einem Apparat, der nicht auf ihn zugelassen ist. Ich bin mir sicher, dass
er freigesprochen wird.“
Es gebe weitere Fälle, die nach einem ähnlichen
Muster abgelaufen seien, also Verurteilung in erster Instanz und anschließend Freispruch
beim Hohen Gericht, so Bhatti. Durch dasselbe Gesetz ist auch die Galionsfigur der
christlichen Protestbewegung in Pakistan, die fünffache Mutter Asia Bibi, im Jahr
2010 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden; trotz internationaler Proteste
ist sie nach wie vor im Gefängnis. Das Schicksal der jungen Frau, die den unbestätigten
Vorwürfen nach während einer Diskussion mit muslimischen Frauen Mohammed beleidigt
haben soll, bereite ihm nach wie vor Sorge, so Bhatti:
„Sie ist aus Sicherheitsgründen
mehrfach verlegt worden, doch dieser Fall wird von anderen verteidigt, nicht von uns.
Von Anfang an ist sie durch mehrere NGO´s verfolgt worden, und sie wollen auch mit
der Verteidigung weiter machen. Momentan wird der Fall vor dem Hohen Gericht in Berufung
verhandelt. Dort braucht es eine starke Verteidigung. Ich habe deswegen angefragt
und auch eine Nachricht an die Familie geschickt, denn wir würden sie gerne verteidigen,
wir haben eine präzise Strategie. Wir warten auf die Antwort ihres Mannes.“
In
der Regierung, die im März 2013 durch die Neuwahlen abgelöst worden war, war Paul
Bhatti selbst Minister für die Minderheiten des Landes. Seit seinem Eintritt in die
Politik war er darum bemüht, der christlichen und anderen religiösen Minderheiten
in Pakistan ihr Recht zu verschaffen, so beispielsweise im Fall der jungen und geistig
zurück gebliebenen Christin Rimsha Masih, deren fälschliche Anklage wegen Blasphemie
weltweit Empörung ausgelöst hatte. Er appelliere nach wie vor an die Regierung, das
umstrittene Blasphemiegesetz abzuschaffen oder wenigstens zu modifizieren, um derartige
Fälle zu verhindern, so Bhatti. Doch auch die internationale Gemeinschaft sei gefragt:
„Sehr
oft werden die Christen fälschlicherweise beschuldigt, das ist leider die Realität
Pakistans. Um die Wahrheit zu sagen, wir sind die einzigen, die wirklich ihre Stimme
erheben – es gibt viele NGO´s, die reden, aber ich habe sie noch nie demonstrieren
oder Pressekonferenzen halten sehen… Dennoch, die Menschen haben Angst. Ich denke,
dass wir mit unserer Arbeit für interreligiöse Einheit weitermachen müssen und die
Internationale Gemeinschaft müsste das unterstützen und in diesen Ländern eingreifen,
wo Intoleranz herrscht.“
Doch leider sei die religiöse Intoleranz nicht
das einzige Problem, mit dem Pakistan momentan klarkommen müsse: vielmehr gebe es
täglich Gewaltakte nicht nur gegen Christen, sondern gegen alle Bürger, die religiösen
und ethnischen Minderheiten, aber auch gegen die Politiker, so Bhatti.
„Vor
einigen Tagen ist in Lahore eine Bombe explodiert, in Karachi explodieren sie täglich…
In Peschawar ist eine Moschee in die Luft geflogen. Ich hoffe, dass diese Regierung
von Dauer sein wird, denn das bedeutet Stabilität, und dass sie immer stärker dafür
arbeiten kann, um diese Welle von Terrorismusakten zu stoppen.“