Auf Haiti sind Millionen
Menschen durch Hunger und Lebensmittelknappheit bedroht. Laut Angaben des Welternährungsprogramms
der Vereinten Nationen (WFP) leiden im ärmsten Land der westlichen Hemisphäre derzeit
1,5 Millionen Menschen unter akutem Lebensmittelmangel, 6,7 Millionen Menschen können
tagtäglich kaum die eigene Grundversorgung leisten. In der Hafenstadt Aquin an der
Südküste des Inselstaates kümmern sich brasilianische Ordensschwestern um bedürftige
Kinder und Mütter. Schwester Rosa Cristina de Almeida betreut dort ein Gesundheitszentrum,
das die Frauen und Kinder auch mit Essen versorgt. Der Hunger sei hier ein täglicher
Gast, erzählt die Franziskanerin im Gespräch mit Radio Vatikan:
„Die Kinder,
die herkommen, sind sehr unterernährt, und einige haben Tuberkulose. Wir danken Gott,
dass wir sie hier kurieren können und dass sie unsere Einrichtung mit einem normalen
Gewicht wieder verlassen können. Wir begleiten die Kinder hier über sechs Monate hinweg,
um ihr Gewicht zu kontrollieren. Damit wir sehen können, ob sie zu- oder abgenommen
haben, müssen die Mütter sie herbringen. Sie bekommen dann von uns einen Essenskorb
mit Grundnahrungsmitteln. Allerdings ist es ein Jammer, dass viele nach nur wenigen
Wochen wieder herkommen müssen, weil sie wieder abgemagert sind. Denn zu Hause gibt
es nichts zu essen.“
Der Hunger ist in vielen Gegenden Haitis heute bittere
Realität, bestätigt Schwester Rosa Cristina. Das schwere Erdbeben vom Januar 2010
hatte der ohnehin schon armen Bevölkerung zusätzlich zugesetzt, erst ganz langsam
konnten in den vergangenen zwei Jahren vor allem dank ausländischer Hilfe Infrastrukturen
wieder notdürftig aufgebaut werden. Vor allem bei den Kindern auf dem Land zeige sich
die Notlage auch heute noch ganz deutlich, so Schwester Rosa Cristina de Almeida,
die seit fast zwei Jahren im Zentrum von Aquin arbeitet:
„Es gibt so viel
Hunger, das bricht einem das Herz. Gerade in diesen Tagen kam ein Kind von sechs Monaten
her. Wenn man es ansieht, denkt man, es ist nicht mal einen Monat alt, so schlecht
ernährt ist es.“
Die Franziskanerinnen teilen an die Kinder im Zentrum
einen nahrhaften Brei aus, der sie relativ schnell wieder auf die Beine bringt. Allerdings
seien nicht nur viele Kinder von Unterernährung und Elend betroffen, so Schwester
Rosa Cristina de Almeida:
„Es ist unglaublich, aber in bestimmten Fällen
müssen wir uns nicht nur um die Kinder, sondern auch die Mütter kümmern, die hier
auch unterernährt ankommen. Sie kommen mit schrecklicher Blutarmut hier an. Oft haben
sie auch Tuberkulose und Aids. Das ist die nackte und grausame Realität.“
Die
Hälfte der haitianischen Bevölkerung lebt auf dem Land. Trotz des eigentlich fruchtbaren
Bodens und Klimas wird auf Haiti wenig Landwirtschaft betrieben, ebenso gibt es kaum
Industrie. Die starke Abholzung hat zur Erosion des Bodens geführt, was die Insel
auch viel ungeschützter macht für die Folgen von Naturkatastrophen. Viele Menschen
können den Eigenbedarf an Lebensmitteln kaum decken; so werden auf Haiti heute 80
Prozent aller notwendigen Lebensmittel nicht selbst produziert, sondern importiert.
Mehr
Aufbau von innen her notwendig
Mit den Hilfen aus dem Ausland nach
dem schweren Erdbeben konnten die schlimmsten Mängel gestillt werden, der Aufbau von
innen aber – zum Beispiel die Förderung der Landwirtschaft – stockt immer noch gewaltig.
Die Folgen: Hunger, Armut und Hoffnungslosigkeit. Schwester Rosa Cristina de Almeida
sieht hier eine klare Verantwortung der Regierung. Diese könnte und müsste viel mehr
tun, um auf Haiti Hilfe zur Selbsthilfe zu fördern, findet die Ordensfrau:
„Das
ist die Politik – denn bis es nicht ein lokales Bewusstsein gibt, passiert einfach
nichts. Die ausländischen Hilfsorganisationen tun, was sie können, sie tun ihr Möglichstes,
doch wenn es kein politisches Bewusstsein um die Lage in diesem Land gibt, wird es
den Hunger immer weiter geben.“
Die katholische Kirche ist heute auf Haiti
vor allem im Bildungs- und Gesundheitsbereich aktiv. Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat
unterstützt vor Ort katholische Schulen, das zivile Engagement und Aufbauprojekte
in den Basisgemeinden.