Papstpredigt vom 7. Juli 2013 Messe mit Seminaristen und Ordensleuten
Wir dokumentieren die Predigt, die Papst Franziskus am Sonntag im Petersdom gehalten
aus Anlass der Messe zum Abschluss eines viertägigen Treffens von 6.000 Seminaristen,
Novizinnen und Novizen aus mehr als 60 Ländern in Rom zum „Jahres des Glaubens“.
Liebe
Brüder und Schwestern, schon gestern hatte ich die Freude, euch zu begegnen, und
heute ist unser Fest noch größer, denn wir treffen uns am Tag des Herrn zur Eucharistiefeier
wieder. Ihr seid Seminaristen, Novizen und Novizinnen, junge Menschen auf dem Berufungsweg
aus allen Teilen der Erde: Ihr steht für die Jugend der Kirche! Wenn die Kirche die
Braut Christi ist, dann stellt ihr in gewissem Sinn die Phase der Verlobung dar, den
Frühling der Berufung, die Zeit der Entdeckung, der Überprüfung, der Formung. Und
es ist eine sehr schöne Zeit, in der die Fundamente für die Zukunft gelegt werden.
Danke, dass ihr gekommen seid!
Heute spricht uns das Wort Gottes von der Sendung.
Woher kommt die Sendung? Die Antwort ist einfach: Sie geht aus einer Berufung hervor,
aus dem Ruf des Herrn, und wen er ruft, den ruft er, um ihn auszusenden. Wie muss
aber der Stil des Gesendeten sein? Welche sind die Bezugspunkte der christlichen Sendung?
Die Lesungen, die wir gehört haben, stellen uns drei davon vor: die Freude des Trostes,
das Kreuz und das Gebet.
1. Das erste Element: die Freude des Trostes. Der
Prophet Jesaja wendet sich an ein Volk, das die dunkle Zeit des Exils durchgemacht
und eine sehr harte Prüfung durchlitten hat. Jetzt aber ist für Jerusalem die Zeit
des Trostes gekommen; Traurigkeit und Angst müssen der Freude weichen: „Freut euch
… jubelt … seid fröhlich“, sagt der Prophet (66,10). Es ist eine große Einladung zur
Freude. Warum? Was ist der Grund? Der Herr wird über die Heilige Stadt und ihre Bewohner
einen „Strom“ des Trostes ausgießen, einen Strom des Trostes, so voller Trost, ein
Strom mütterlich-zärtlicher Liebe: „Ihre Kinder wird man auf den Armen tragen und
auf den Knien schaukeln.“ Wie wenn eine Mutter ihr Kind auf den Schoß nimmt und streichelt,
so wird es der Herr an uns tun und so tut er es. Das ist der Strom der Zärtlichkeit,
der so viel Trost schenkt. „Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch“
(V. 12-13). Jeder Christ und vor allem wir sind gerufen, diese Botschaft der Hoffnung
zu bringen, die Unbeschwertheit und Freude schenkt: den Trost Gottes, seine zärtliche
Liebe zu allen. Diese Botschaft aber können wir vermitteln, wenn zuerst wir selbst
die Erfahrung machen, von ihm getröstet, von ihm geliebt zu sein. Das ist wichtig,
damit unsere Sendung fruchtbar ist: den Trost Gottes spüren und weitergeben! Ich habe
manchmal Ordensleute vorgefunden, die Angst hatten vor der Tröstung Gottes, und diese
armen Menschen quälen sich, weil sie Angst haben vor seiner Zärtlichkeit. Habt doch
keine Angst! Habt keine Angst, denn der Herr ist der Herr des Trostes, der Herr der
Zärtlichkeit. Der Herr ist Vater und Er sagt, dass er mit uns wie eine Mutter mit
ihrem Kind umgehen wird, mit seiner Zärtlichkeit! Habt keine Angst vor dem Trost des
Herrn! Die Aufforderung Jesajas „Tröstet, tröstet mein Volk“ (40,1) muss in unserem
Herzen widerhallen und zur Sendung werden. Den Herrn finden, der uns tröstet und das
Volk Gottes zu trösten. Das ist unsere Sendung. Gewiss brauchen die Menschen heute
Worte, vor allem aber brauchen sie unser Zeugnis der Barmherzigkeit, der zärtlichen
Liebe des Herrn, die das Herz erwärmt, Hoffnung weckt und zum Guten hinzieht. Die
Freude, den Trost Gottes zu bringen!
2. Der zweite Bezugspunkt der Sendung
ist das Kreuz Christi. Der heilige Paulus schreibt in seinem Brief an die Galater:
„Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen“ (6,14).
Er spricht von „Zeichen Jesu“, das heißt von den Wundmalen des gekreuzigten Jesus
als Kennzeichen, als Unterscheidungsmerkmal für sein Leben als Apostel des Evangeliums.
In seinem Dienst hat Paulus Leiden, Schwachheit und Niederlage erfahren, aber auch
Freude und Trost. Das ist das Pascha-Mysterium Jesu: Geheimnis des Todes und der Auferstehung.
Und gerade dadurch, dass er den Tod Jesu in sich Gestalt annehmen ließ, konnte der
heilige Paulus an Jesu Auferstehung, an seinem Sieg teilhaben. In der Stunde des Dunkels
und der Prüfung ist das erste Aufleuchten des Lichtes und des Heiles schon da und
bereits am Werk. Das Pascha-Mysterium ist das lebendige Herz der Sendung der Kirche!
Und wenn wir in diesem Mysterium bleiben, sind wir sowohl vor einer weltlichen, triumphalistischen
Sicht der Sendung, als auch vor der Entmutigung geschützt, die angesichts der Prüfungen
und der Misserfolge aufkommen kann. Die pastorale Fruchtbarkeit, die Fruchtbarkeit
der Verkündigung des Evangeliums hängt weder vom Erfolg noch vom Misserfolg nach den
Kriterien menschlichen Ermessens ab, sondern von einer inneren Ausrichtung nach der
Logik des Kreuzes Jesu, welche die Logik des Aus-sich-Herausgehens und des Sich-Schenkens
ist, die Logik der Liebe. Das Kreuz ist es – immer das Kreuz mit Christus –, das die
Fruchtbarkeit unserer Sendung garantiert. Und aus dem Kreuz, dem höchsten Akt der
Barmherzigkeit und Liebe, geht man als „neue Schöpfung“ hervor (Gal 6,15).
3.
Schließlich das dritte Element: das Gebet. Im Evangelium haben wir gehört: „Bittet
also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Lk 10,2).
Die Arbeiter für die Ernte werden nicht durch Werbekampagnen oder durch Aufrufe zum
Dienst und zur Großherzigkeit ausgewählt, sondern sie sind von Gott „erwählt“ und
„gesendet“. Er wählt aus, er semdet, er sendet, er schenkt die Sendung. Darum ist
das Gebet wichtig. Wie Benedikt XVI. uns wiederholt gesagt hat, gehört die Kirche
nicht uns, sondern Gott; und wie oft denken wir Ordensleute, dass sie uns gehört!
Sie gehört nicht uns, sondern Gott! Das zu bebauende Feld ist sein. So ist die Sendung
vor allem Gnade. Die Sendung ist Gnade. Und wenn der Apostel Frucht des Gebets ist,
wird er im Gebet das Licht und die Kraft für sein Handeln finden. Unsere Sendung ist
nämlich unfruchtbar, ja sie erlischt im selben Moment, in dem die Verbindung zur Quelle,
zum Herrn unterbrochen wird. Liebe Seminaristen, liebe Novizinnen und liebe Novizen,
liebe junge Freunde auf dem Berufungsweg. Einer von euch sagte mir vor ein paar Tagen,
„die Evangelisierung wird kniend getan“. Hört gut zu: „die Evangelisierung wird kniend
getan!“ Ohne die ständige Beziehung zu Gott wird die Sendung zum Geschäft. Was hast
Du für einen Beruf? Schneider, Köchin, Priester? Du arbeitest als Priester, als Schwester…?
Nein! Das ist kein Beruf, es ist etwas anders. Die Gefahr des Aktivismus, des zu großen
Vertrauens auf die Strukturen, lauert uns immer auf. Wenn wir auf Jesus schauen, sehen
wir, dass er sich am Vorabend jeder wichtigen Entscheidung oder jedes wichtigen Geschehens
in intensivem, langem Gebet sammelte. Pflegen wir die kontemplative Dimension, auch
im Strudel der eiligsten und dringendsten Verpflichtungen. Und je mehr die Sendung
euch ruft, bis an die existentiellen Grenzen zu gehen, umso mehr sei euer Herz mit
dem Herzen Christi vereint, das voll Barmherzigkeit und Liebe ist. Hier liegt das
Geheimnis der Fruchtbarkeit eines Jüngers des Herrn!
Jesus sendet die Seinen
ohne „Geldbeutel, ohne Vorratstasche und ohne Schuhe“ aus (vgl. Lk 10,4). Die
Verbreitung des Evangeliums ist weder durch die Anzahl der Menschen, noch durch das
Ansehen der Institution, noch durch die Menge der verfügbaren Mittel gewährleistet.
Das ist es, worauf es ankommt: von der Liebe Christi durchdrungen zu sein, sich vom
Heiligen Geist leiten zu lassen und sein Leben in den Baum des Lebens, das Kreuz des
Herrn, einzupfropfen.
Liebe junge Freunde, mit großer Zuversicht vertraue ich
euch der Fürsprache Marias an. Sie ist die Mutter, die uns hilft, die endgültigen
Entscheidungen in Freiheit und ohne Furcht zu treffen. Möge sie euch helfen, die Freude
des Trostes Gottes zu bezeugen, ohne Angst vor der Freude zu haben. Sie helfe euch,
euch nach der Logik der Liebe des Kreuzes auszurichten und in eine immer tiefere Einheit
mit dem Herrn im Gebet hineinzuwachsen. So wird euer Leben reich und fruchtbar sein!