„Statt Clash der Kulturen jetzt Clash der Ignoranzen“
Der Vatikan ist mit
Saudi-Arabien im Gespräch über das Thema Religionsfreiheit. Das bestätigte Kurienkardinal
Jean-Louis Tauran jetzt in einem Interview mit Radio Vatikan. In Saudi-Arabien, dem
Ursprungsland des Islam, sind christliche Symbole oder Messfeiern bei schwerer Strafe
verboten.
„Ja, wir haben über Religionsfreiheit gesprochen, über Kultfreiheit
– natürlich mit ausgesprochener Vorsicht, denn das sind sehr delikate Themen. Man
kann sie allerdings auch nicht ignorieren, schließlich kennen alle die Schwierigkeiten
auf diesem Gebiet. Wir haben in dieser Hinsicht auch keine besonderen Beschlüsse gefasst.“
Der
Kardinal, der den vatikanischen Dialograt leitet, äußerte sich nach einer Konferenz
mit dem saudischen Dialogbeauftragten Hamid bin Ahmad al-Rifaei. Dieser ist Präsident
eines internationalen islamischen Dialogforums. In Rom hatten Vatikan und Muslime
überlegt, wie sie sich in säkularen, vom Materialismus geprägten Gesellschaften verhalten
sollen.
„Was konkrete Aspekte betrifft: Uns ist klargeworden, wie wichtig
ein Religionsunterricht für junge Leute ist. Probleme entstehen oft aus Ignoranz.
Wir sind zwar um einen Clash der Kulturen herumgekommen, aber jetzt müssen wir den
Clash der Ignoranzen verhindern! Wir brauchen also eine Art und Weise, um andere Religionen
jeweils mit Respekt und Präzision zu beschreiben.“
„Unseren Appetit
zügeln“
Das interreligiöse Treffen im Vatikan war schon das 19. seiner
Art. Kardinal Tauran kommentiert das so: „Der interreligiöse Dialog ist heute in
Mode gekommen. Viele Initiativen kümmern sich allerdings exakt um dieselben Dinge.
Wir sollten unseren Appetit ein bißchen zügeln und stattdessen genauer klären, was
ein interreligiöser Dialog überhaupt leisten soll. Was sich bei all diesen Konferenzen
letztlich immer wieder zeigt, ist, dass wir uns doch noch zuwenig kennen. Und natürlich
haben wir viele Fortschritte gemacht, aber sobald man mal etwas tiefer bohrt, kommt
nichts mehr. Alles ist noch zu sehr von den politischen Ereignissen und vom Terrorismus
konditioniert.“
In dieser Optik ist es zwar eine gute Sache, dass das gestrenge
Saudi-Arabien über Religionsfreiheit mit sich reden läßt. Aber reden alleine genügt
eben nicht, so der französische Kurienkardinal.
„Nach Jahren und Jahren
des interreligiösen Dialogs besteht unser größter Kummer darin, dass alle Ergebnisse,
die wir erzielen konnten – und manchmal geschah das unter großen Opfern – doch nie
auf Gesetzes-, Verwaltungs und Straßenniveau umgesetzt worden sind. Dadurch bleibt
der interreligiöse Dialog auch heute noch ein Elitenprojekt. Man müsste irgendwie
einen Weg finden, um das Erreichte – das ja vorhanden ist, auch wenn es vielleicht
nicht viel wiegt – durchdringen zu lassen: zur Straße, zu den Schulen und Universitäten,
zu den Behörden und zu denen, die die Gesetze formulieren.“