Papst ruft im Kampf gegen den Hunger zu radikaler Solidarität auf
Wir können uns nicht
hinter der globalen Krise verstecken, sondern können und müssen mehr tun für die Armen
und Hungernden der Welt. Das hat der Papst an diesem Donnerstag vor Vertretern der
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in einer
Grundsatzrede betont. Er knüpfte dabei an eigene Gedanken zur globalen Krise an, die
er am 16. Mai 2013 vor Botschaftern im Vatikan vorgebracht hatte. Franziskus hatte
damals mit Blick auf die globale Krise die fehlende „anthropologische Perspektive“
hervorgehoben, die er als eigentliche Ursache der aktuellen Krise darstellte.
Die
aktuelle globale Krise könne kein „Alibi“ sein, um die Hände in den Schoß zu legen,
so der Papst in seiner Rede vor Vertretern der Welternährungsbehörde: „Man kann und
muss mehr tun, um der internationalen Aktion zugunsten der Armen mehr Nachdruck zu
verleihen“, so Franziskus wörtlich. Dass „Millionen Menschen an Hunger leiden und
sterben“, sei ein „Skandal“, so der Papst:
„Es ist also notwendig, Wege
und Mittel zu finden, damit alle von den Früchten der Erde profitieren können – nicht
nur, um zu verhindern, dass sich das Gefälle zwischen denen, die mehr haben, und jenen,
die sich mit Krümeln begnügen müssen, größer wird, sondern auch und vor allem wegen
der nötigen Gerechtigkeit, der Gleichheit und dem Respekt gegenüber jedem menschlichen
Geschöpf!“
Der Mensch und seine Würde drohten angesichts aktueller Fehlentwicklungen
zur „Abstraktion“ zu werden, führte Franziskus aus. Das zeige sich bei Gewalt und
Krieg, Angriffen auf die Freiheitsrechte, dem Hunger und den finanziellen Spekulationen
mit Nahrungsmitteln im globalen Markt. Christen müssen hier laut Franziskus zu einer
grundlegenden Kurskorrektur mahnen:
„Unsere Aufgabe besteht im aktuellen
internationalen Kontext darin, den Menschen und die menschliche Würde nicht als einfachen
Verweis, sondern als Grundpfeiler vorzuschlagen, auf die sich gemeinsame Regeln und
Strukturen stützen können. Die dann – indem sie über reinen Pragmatismus und nur technische
Gegebenheiten hinausgehen – dazu befähigen, Spaltungen zu schließen und Gefälle aufzuschütten.
In dieser Richtung ist es notwendig, die einäugigen wirtschaftlichen Interessen und
die Machtlogik der Wenigen zu überwinden – diese schließen die Mehrheit der Weltbevölkerung
aus, führen zu Armut und Ausschluss und zu gesellschaftlichen Spaltungstendenzen.
So ist es ebenso notwendig, die Korruption zu bekämpfen, die einigen Menschen Privilegien
verschafft und zugleich Ungerechtigkeiten hervorruft, unter denen viele leiden müssen.“
Die
Finanz- und Wirtschaftskrise und ihre weitreichenden Folgen seien Ausdruck einer „Krise
der Überzeugungen und Werte“, auch derer, die die „Basis des internationalen Lebens“
bildeten, fuhr der Papst fort. Vor diesem Hintergrund sei eine Reform auch der Welternährungsorganisation
notwendig, um auf die neuen Gegebenheiten zu reagieren. Konkret appellierte Franziskus
hier an die Organisation:
„Wenn man anerkennt, dass sich der Kampf gegen
den Hunger über die Suche nach Dialog und Brüderlichkeit vollzieht, bedeutet dies
für die Welternährungsorganisation FAO, dass ihr Einbringen in die Verhandlungen zwischen
Staaten und ihr Einfluss auf Entscheidungsprozesse durch die Förderung einer Kultur
der Begegnung und Solidarität charakterisiert sein sollte.“
Der Papst rief
die Staaten und Institutionen zu einer „Öffnung der Herzen“ auf; es gelte, „Desinteresse“
und den „Impuls, wegzuschauen“, zu überwinden und umgehend auf Notstände zu reagieren.
„Auf fruchtbare und konstruktive Weise in den verschiedenen Aufgabenbereichen
und Verantwortlichkeiten voranzugehen, bedeutet Fähigkeit zur Analyse, zum Verstehen
und zum Geben. Und es bedeutet auch, dabei jede Versuchung der Macht, der Besitzanhäufung
oder des Eigeninteresses hinter sich zu lassen, um stattdessen der Menschheitsfamilie
zu dienen - vor allem den Armen und denen, die unter Hunger und Unterernährung leiden.“
Jede „wahre Reform“ bestehe im Zuwachs an Bewusstsein um die eigene Verantwortung
und darum, „dass das eigene Schicksal mit dem der anderen verknüpft ist“, so der Papst.
Menschen seien keine „Inseln“, sondern sie seien eine Gemeinschaft. Es gehe um die
radikale Bereitschaft zum „Teilen jeder Sache“, führte Franziskus anhand des Beispiels
des guten Samariters aus. Besondere Aufmerksamkeit müssten dabei Flüchtlinge erhalten,
so der Papst weiter, „Menschen, Familien und Gemeinschaften“, die aufgrund blutiger
Konflikte und des Hungers ihre Heimatländer verlassen müssten und oftmals dabei auch
spirituelle Entwurzelung erführen. Angesichts des Phänomens der globalen Migration
brauche es weltweit mehr Solidarität, appellierte der Papst passend zum Weltflüchtlingstag
an diesem 20. Juni:
„Dieser inzwischen globale Prozess erfordert es, dass
in den internationalen Beziehungen die Orientierung an ethischen Prinzipien wieder
verankert wird und dass dieser authentische Geist der Solidarität, der in der gesamten
kooperativen Arbeit entscheidend sein kann, wiedergefunden wird.“