Eine langjährige Untätigkeit der EU-Politik in Hinblick auf einen Beitritt der Türkei
hat die autoritären Tendenzen im Land begünstigt. Das sagt der Leiter des Istanbuler
Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog, Claudio Monge: Da die einst
angestrebte politische Vision Europa für die Türkei zunichtegemacht worden sei, könne
es jetzt nicht erstaunen, wenn Ministerpräsident Recep Tayyin „im Grunde die Legitimität
des Europaparlaments missachtet“. Monge leitet auch die Dominikanergemeinschaft in
Istanbul; er äußerte sich am Dienstag gegenüber der vatikanischen Nachrichtenagentur
Fides. Bis zum Jahr 2006 hätten Erdogan und seine Partei auf den EU-Beitritt gehofft
und zu dessen Förderung auch viele Reformen auf dem Weg gebracht, so Monge. Danach
aber wurde einem neuen Kurs Erdogans und der Türkei im Allgemeinen der Weg geebnet:
So hätte man zuerst versucht, sich im Szenarium der arabischen Länder und „Brüder
im Glauben“ neu zu positionieren. Der Beginn des „arabischen Frühlings“ sowie der
Syrien-Konflikt hätten dann jedoch politische und diplomatische Pläne und millionenschwere
Investitionen platzen lassen. Die Reaktion des „stolzen Erdogan“ sei der populistisch-autoritäre
Weg und die Vorstellung von Selbstgenügsamkeit, so der Dominikanerpriester. Was den
türkischen Regierungschef seiner Ansicht nach milder stimmen könnte, sei nun nur noch
eine interne Opposition der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP.