Papst: „Das Evangelium ist für alle, auch für die Gebildeten“
„Das Evangelium ist
für alle, auch für die Gebildeten.“ Das sagte Papst Franziskus am Montagabend im Vatikan.
In der Audienzhalle eröffnete er den jährlichen Pastoralkongress seines Bistums Rom
und sprach dabei ohne Manuskript über das Thema Verkündigung. Dabei ging er von einer
Textstelle des Apostels Paulus aus. Die Taufe sei, mit Worten des heiligen Paulus
ausgedrückt, ein Übergang vom „Leben unter dem Gesetz“ zum „Leben unter der Gnade“:
„eine Revolution“. „Es gibt so viele Revolutionäre im Lauf der Geschichte – aber keiner
hatte die Kraft zu dieser Revolution, die uns Jesus gebracht hat. Das ist eine Revolution,
um den Lauf der Geschichte zu ändern, indem man das Herz des Menschen von innen her
ändert. Die Revolutionen der Geschichte haben politische, wirtschaftliche Systeme
verändert, aber keine von ihnen hat wirklich das Herz des Menschen umgeformt. Die
wahre Revolution, die das Leben wirklich radikal transformiert, hat Jesus Christus
durch sein Kreuz und seine Auferstehung vollzogen.“
Franziskus zitierte seinen
Amtsvorgänger Benedikt XVI., der die Auferstehung Jesu als „größte Mutation der Geschichte
der Menschheit“ bezeichnet hatte. Das sehe er genauso: „Wir sind Revolutionäre dieses
Umsturzes, denn wir gehen auf dieser Straße der größten Mutation der Menschheitsgeschichte.
Ein Christ, der heute kein Revolutionär ist, ist kein Christ! Er muss Revolutionär
für die Gnade sein, denn die Gnade, die der Vater uns durch den gekreuzigten, gestorbenen
und auferstandenen Jesus Christus gibt, macht uns zu Revolutionären.“ Die Umwandlung
des eigenen Ichs durch Gottes Gnade habe der Apostel Paulus auf dem Weg nach Damaskus
erlebt; aus dem Verfolger der christlichen Urgemeinde sei so ein Apostel und mutiger
Zeuge Jesu geworden.
„Der Herr ändert dein Herz! Wir sind alle Sünder – oder
ist hier jemand, für den das nicht gilt?, dann soll er mal bitte die Hand heben...
also, wir sind alle Sünder, alle! Aber die Gnade Jesu Christi rettet uns vor der Süde
und macht uns heilig. Um heilig zu werden, brauchen wir nicht die Augen zu verdrehen
oder ein frommes Gesicht zu ziehen – nur eines ist dafür nötig: die Gnade anzunehmen,
die der Vater uns in Jesus Christus gibt. Diese Gnade ändert unser Herz.“ Der Papst
zitierte ein Wort Gottes aus dem Buch Ezechiel, Gott werde das „Herz von Stein“ aus
unserer Brust nehmen und uns ein „Herz von Fleisch“ geben. „Ein Herz, das liebt, das
mit anderen leidet und sich freut, ein Herz voller Zärtlichkeit für alle, die vom
Leben verwundet wurden und sich am Rand der Gesellschaft fühlen. Die Liebe ist die
größte Kraft zur Umwandlung der Realität, denn sie reißt die Mauern des Egoismus nieder
und schließt die Gräben, die uns untereinander trennen.“
Ablasshandel
hat „so viel Schlechtes angerichtet“
Liebe komme aus einem „umgewandelten
Herzen“, und das sei ein Werk der Gnade, „die wir alle empfangen haben“, so der Papst.
Unvermittelt spielte Franziskus dann auf den Ablasshandel des 16. Jahrhunderts an,
der einer der Auslöser der Reformation von Martin Luther war: „Weiß jemand von euch,
was die Gnade kostet? Oder wo man sie verkauft? Wo man sie kaufen kann? Keiner? Ich
gehe sie mir bei der Pfarrsekretärin kaufen, die wird sie doch bestimmt im Angebot
haben, oder nicht? Oder welcher Priester verkauft Gnade? Jetzt hört mal gut zu: Gnade
kauft und Gnade verkauft man nicht! Sie ist ein Geschenk Gottes in Jesus Christus
– er gibt sie uns, als einziger. Sie ist ein Geschenk, sie ist gratis. Und wir sollen
sie umsonst weitergeben. Es ist etwas traurig, wenn man jemanden trifft, der Gnade
verkauft; in der Kirchengeschichte ist das einige Male vorgekommen, und es hat so
viel Schlechtes angerichtet, soviel Schlechtes!“
Der Papst rief seine Zuhörer
eindringlich dazu auf, sich um ihre Mitbürger zu kümmern, die die Hoffnung verloren
hätten oder sich „in Alkohol, Drogen, ins Spiel, zum Geld oder zur regellosen Sexualität
geflüchtet“ hätten. „Wieviele traurige Menschen, Menschen ohne Hoffnung gibt es doch!
Denkt auch an die vielen jungen Leute, die alles Mögliche ausprobiert haben, aber
keinen Sinn im Leben finden und dann als Lösung nur noch den Selbstmord sehen. Wisst
ihr, wieviele junge Leute sich heute in aller Welt umbringen? Es ist eine hohe Zahl.
Warum? Weil sie keine Hoffnung haben. Die Gesellschaft ist grausam! Sie kann keine
Hoffnung geben. Hoffnung ist wie Gnade: Man kann sie nicht kaufen, sie ist ein Geschenk.
Wir müssen sie den anderen weitergeben, weil wir mit Freude spüren, dass wir keine
Waisen sind, sondern einen Vater haben.“
„Keine geistlichen Vagabunden
werden“
Hoffnung weitergeben und das Evangelium verbreiten bedeute
allerdings nicht Proselytismus, „nichts davon“, so der Papst wörtlich. Vielmehr sei
das Evangelium wie ein Samenkorn, das jemand ausstreue, das dann aber von alleine
wachse. In erster Linie richte sich die Verkündigung „an die Armen“. „Im Moment des
Jüngsten Gerichts werden wir alle daran gemessen werden, das kann man in Matthäus
25 nachlesen. Das soll aber nicht heißen, dass die Botschaft Jesu nur an die gerichtet
wäre, die keine große kulturelle Vorbereitung haben: Nein, nein! Der Apostel Paulus
betont nachdrücklich, dass das Evangelium für alle ist und eben auch für die Gebildeten.
Die Weisheit, die aus der Auferstehung kommt, steht der menschlichen Weisheit nicht
entgegen, im Gegenteil. Die Kirche war immer auch an den Orten der Kultur präsent.
Der erste Schritt ist immer der Vorrang der Armen; aber danach müssen wir auch an
die Grenzen des Intellekts gehen, der Kultur, in die Höhe des Dialogs.“
Das
Evangelium sei „für alle“: „Zu den Armen zu gehen, heißt nicht, dass wir alle ärmlich
werden müssen, eine Art geistlicher Vagabunden. Es heißt, dass wir zum leidenden Leib
Jesu hinausgehen sollen, dazu gehören auch die, die ihn mit ihren Studien, ihrer Intelligenz,
ihrer Kultur nicht gefunden haben. Nicht nur die physische, auch die intellektuelle
Armut ist reell.“ Verkündigung müsse „an jeder Kreuzung geschehen, in jeder Peripherie“,
und zwar voller Mut: Christen glaubten schließlich an Christus „und nicht an die Göttin
des Jammerns“. „Viele beklagen sich den ganzen Tag: Schau dir das mal an, wie das
läuft in der Welt, was für eine Katastrophe... Aber die Welt ist doch auch nicht schlechter
als vor fünfhundert Jahren, oder? Ich frage euch: Kennt ihr solche Jammerchristen?
Da gibt es einige von, nicht wahr? Also, Christen sollten Mut haben angesichts von
Schwierigkeiten, angesichts der sozialen und religiösen Krise, Mut zum Vorwärtsgehen.
Und wenn man mal wirklich nichts tun kann, dann erträgt man eben. Mut und Geduld,
das sind die zwei Tugenden des Paulus.“