An diesem Dienstag
startet in Kubas Hauptstadt Havanna eine neue Runde in den Friedensverhandlungen für
Kolumbien. Unterhändler der Regierung von Präsident Manuel Santos und der linksgerichteten
FARC-Rebellen sitzen wieder mal an einem Tisch. Dabei arbeiten sie einen Fünf-Punkte-Plan
ab, der zu einem Friedensabkommen führen soll. Im ersten Punkt, bei dem es um gerechte
Landverteilung geht, haben sie schon eine Grundsatz-Vereinbarung getroffen. „Damit
haben sie sich in einem der wichtigsten und kompliziertesten Punkte geeinigt, nämlich
der Landfrage.“ So sieht es der Erzbischof von Bogotà, Kardinal Ruben Salazar Gomez,
bei einer Pressekonferenz.
„Da denken wir schon, dass uns die Verhandelnden
damit ein klares Signal geben: Dialog ist möglich, und es ist möglich, durch Gespräche
und Abkommen zu einem definitiven Ende des bewaffneten Konflikts zu kommen!“ Die schlechte
Verteilung von Land sei immerhin einer der Hauptgründe für den jahrzehntelangen Konflikt
gewesen. „Darum scheint uns dieses erste Abkommen zu Landfragen sehr wichtig, denn
es erlaubt, eine solide Basis für einen baldigen Frieden zu legen.“
Auch der
zweite der fünf Punkte, um den es seit Dienstag geht, ist knifflig: Politische Partizipation.
Sprich: Darf sich die FARC nach einem Friedensschluss umstandslos in eine politische
Partei verwandeln? Das Problem ist: Manche legen die Verfassung so aus, dass sie die
politische Betätigung von Verurteilten verbietet.
„Keine Straflosigkeit
für FARC-Rebellen“
Heißt das: Schwamm über die Verbrechen von FARC-Rebellen
nach einem Friedensschluß? Das wäre ein Schlag ins Gesicht der Opfer, so Kardinal
Salazar Gomez:
„Wir wissen alle, dass es Millionen von Opfern gibt. Man
spricht von fünf oder sechs Millionen Binnenflüchtlingen; der bewaffnete Konflikt
hat das Land und die kolumbianische Gesellschaft im Innern tief verwundet! Millionen
von Menschen fordern jetzt also Entschädigungen und Hilfe. Diese Hilfe muss die Opfer
soweit bringen, dass sie keine Opfer mehr sind. Ist dieser Punkt erreicht, dann kommen
sie vielleicht auch in die Lage, den Tätern vergeben und in einen Versöhnungsprozess
eintreten zu können, so dass sie wieder vollwertig am Leben der Gesellschaft teilnehmen.“
Eine
Versöhnung mit den Tätern darf die Gesellschaft aber nicht ohne oder anstelle der
Opfer durchführen, findet der Kardinal von Bogotà. Er fordert, jetzt schon gezielt
über die nötigen Maßnahmen nach einem Friedensabkommen nachzudenken, um vorbereitet
zu sein.
„Ein Ende des bewaffneten Konflikts wäre nur der erste Schritt,
wenn auch ein grundlegender Schritt. Dann muss ein Friede unter allen hergestellt
werden, und das verlangt, dass man auch alle mit einbezieht, die Täter waren! Eine
Übergangsjustiz und eine Wiedereingliederung der bisherigen Täter in die Gesellschaft
sind von großer Wichtigkeit. Man muss sich darauf gut vorbereiten und auch sehr vorsichtig
dabei sein; es gilt, nicht in die Falle der Straflosigkeit von Verbrechen zu gehen.
Es geht um Vergebung und Wiedereingliederung, aber eben auch um Wiedergutmachung der
von ihnen angerichteten Schäden. Das scheint mir der schwierigste Punkt – wenn wir
darüber nachdenken, was der Frieden alles so impliziert.“
„Nur eine
Scheindemokratie“
Kardinal Salazar Gomez hat beobachtet, dass die
Friedensgespräche wacklig sind. Kolumbiens Präsident Santos hat den Oppositionsführer
von Venezuela empfangen; das hat den neuen venezolanischen Präsidenten Nicolas Maduro
dermaßen verärgert, dass damit auch Venezuelas Unterstützung des Friedensprozesses
ins Wanken gerät. Dabei ist diese Unterstützung entscheidend. Denn wenn Venezuela
wieder zum sicheren Hafen und Rückzugsgebiet für FARC-Kämpfer werden sollte wie in
der Vergangenheit, dann machte das wohl dem Friedensprozess den Garaus.
„Darum
sollte der Rhythmus dieser Verhandlungen unbedingt beschleunigt werden! Vor sechs
Monaten wussten wir, dass es Zeit brauchen würde, um einen Konsens zu finden, und
dass man dabei nichts überstürzen dürfe. Aber in den letzten Wochen hat sich doch
gezeigt, dass man auch viel schneller vorankommen könnte!“
Aber nicht
nur von außen – Venezuela, Kuba, Chile, USA – ist der Friedensprozess gefährdet, sondern
vor allem von innen her, aus Kolumbien selbst. Kardinal Salazar Gomez deutet an, dass
die führende Elite im Land es als eine Bedrohung ihrer Macht wahrnehmen könnte, wenn
im Zug des Friedensprozesses die unteren Schichten der Bevölkerung mehr Rechte bekämen.
„Wir
hatten Jahrhunderte lang eine Scheindemokratie, zweifellos war unsere Demokratie in
Wirklichkeit immer schwach, zerbrechlich und begrenzt. Eine Demokratie mit vielen
Mängeln. Wir sollten jetzt also im Licht der Verfassung von 1991 unsere Vorstellung
von Demokratie ausweiten und endlich die Grundlage für eine echte Demokratie legen.
Demokratie heißt, dass alle beim Aufbau eines Landes mitmachen!“
Warnung
vor Scheitern der Gespräche
Der Kardinal ärgert sich auch über das
Herumkritteln am Friedensprozess. Dringend gebraucht werde ein „Ambiente, das einen
Friedensschluss stimmungsmäßig vorbereitet“.
„Es ist logisch, dass es Ärger,
Zweifel und große Fragezeichen über die konkrete Art und Weise gibt, wie die Friedensverhandlungen
in Havanna ablaufen. Es ist aber auch klar, dass das in diesem Moment der Königsweg
zu einem Ende des bewaffneten Konfliktes ist! Darum würde ich sagen: Wenn dieser Weg
scheitert und die Verhandlungen von Havanna abgebrochen werden, dann werden wir wohl
viele Jahre lang keine Möglichkeit mehr zu einem Dialog und zu Verhandlungen haben!“
Kardinal
Salazar Gomez stehen frühere, gescheiterte Anläufe zum Frieden vor Augen, in den achtziger
Jahren. Er weiß, wie groß immer noch die Versuchung in der Führung des Landes ist,
eine militärische Beilegung des Konfliktes zu versuchen. Präsident Santos hat sich
geweigert, Militäroperationen gegen die FARC auszusetzen – trotz der laufenden Friedensgespräche.
Eine heikle Sache. Doch auf Kritik daran lässt sich der Kardinal von Bogotà nicht
ein.
„Ich bin sicher, dass die Regierung die größte Anstrengung unternimmt,
um zu einem Frieden durchzustoßen. Das Wichtigste wäre aber, dass man jetzt auch eine
umfassende Politik entwirft für alles, was ein Frieden im Land wirklich impliziert.
Es gibt in Kolumbien so vieles wieder aufzubauen!“
Die zweite Verhandlungsrunde
zwischen Regierung und FARC-Rebellen, am Dienstag gestartet, dauert bis Freitag, 21.
Juni. Präsident Santos will „vor Jahresende“ zu einem Friedensschluss kommen, wie
er vor ein paar Tagen bei einem Besuch in London verkündete. Das Kalkül des Staatschefs:
Nächstes Jahr sind Parlamentswahlen, da könnte er doch als Friedensengel in den Wahlkampf
starten. Dass auch schon eine FARC-Partei auf nationaler Ebene antreten könnte, glaubt
in Kolumbien kaum jemand. Doch im Jahr darauf, 2015, finden Regionalwahlen statt:
Da könnten sich tatsächlich FARC-Politiker zur Wahl stellen. Vorausgesetzt, es herrschte
dann tatsächlich Frieden.