Eine gemischte Bilanz der Gottesdienstreformen in der katholischen Kirche haben die
Kardinäle Karl Lehmann und Walter Kasper gezogen. Bei einer Debatte über die Reformbeschlüsse
des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) sagte Lehmann am Freitag in Köln: „Wir
müssen uns fragen, ob wir in der erneuerten Messe genügend Raum gelassen haben für
das Schweigen und das persönliche Gebet.“ Das sei bei allen positiven Veränderungen
vielleicht übersehen worden. Kurienkardinal Kasper erklärte, der Charakter des österlichen
Opfers sei leider in den Hintergrund getreten. Dennoch seien die Reformen ein wichtiger
Schritt gewesen. Die Konzilstexte müssten heute neu gelesen und übersetzt werden;
sie seien vor 50 Jahren in einem „ganz anderen historischen Kontext“ entstanden. Auf
die mögliche Agenda eines möglichen Dritten Vatikanischen Konzils angesprochen sagte
Lehmann, die Kirche müsse sich stärker damit auseinandersetzen, dass viele Menschen
heute meinten, ohne den Glauben an Gott leben zu können. Die Gottesfrage sei drängender,
als man dies beim letzten Konzil gesehen habe, so der Mainzer Bischof. Kasper betonte,
die Kirche müsse mehr synodale Elemente, also parlamentarische Entscheidungsprozesse,
zulassen. Damit solle die kirchliche Hierarchie nicht ersetzt, aber ergänzt werden.
Die
Deutsche Bischofskonferenz erinnerte am Samstag mit einem Festakt an das 50-jährige
Bestehen der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils: Am 4. Dezember
1963 verabschiedete das Konzil das Dokument „Sacrosanctum Concilium“ über die Liturgie
der katholischen Kirche. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof
Dr. Robert Zollitsch, erinnerte an die lebendige Bedeutung des Konzilsdokumentes auch
für die Kirche im 21. Jahrhundert. Beim Konzil und heute stehe im Mittelpunkt die
Frage, was es heißt „als Kirche und einzelner Christ in der Welt und für die Welt
zu wirken, die Logik der Welt zu kennen und konsequent in der Logik Gottes zu leben.“
Der Sendungsauftrag Jesu, den das Konzil zur Grundlage gemacht habe, erinnere die
Kirche heute daran, „dass sie nicht von der kleinen Herde der Gerechten träumen darf,
sondern sich immer wieder aufmachen muss zu den Menschen – auch an die ‚äußeren Ränder‘“,
wie es Papst Franziskus sage. Die Würdigung der Liturgiekonstitution sei aber nicht
nur eine Feier für ein einzelnes Dokument der Bischofsversammlung: „Es soll vielmehr
darum gehen, uns dem Grundanliegen der Erneuerung des christlichen Glaubens und der
Sendung der Kirche neu zu stellen und dieses Grundanliegen tiefer zu verstehen, um
es auch für gegenwärtiges Handeln und Entscheiden fruchtbar zu machen.“
Der
Vorsitzende der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Joachim
Meisner, bezeichnete es als wesentliches Moment der Bemühungen des Konzils, „den Gottesdienst
und damit verbunden den Heiligungsdienst der Kirche – also die Liturgie – aus ihrem
Wesen heraus zu erneuern.“ Das bedeute, das liturgische Beten der Kirche für den einzelnen
Gläubigen nachvollziehbar und mitvollziehbar zu machen, sodass es lebensbestimmend
werden könne. Geistliches Nachvollziehen und praktisches Mitvollziehen greife ineinander.
Dies „war und ist das Bemühen liturgischer Erneuerung, und das eine fördert jeweils
das andere.“