2013-05-20 13:26:58

Argentinien: Aus dem Leben eines Pfarreiradios


RealAudioMP3 Einen Jesuiten aus Argentinien kennen Sie bestimmt schon: Papst Franziskus. Hier lernen Sie jetzt einen zweiten kennen, auf den Sie von alleine wohl nie gestoßen wären. Denn dieser Jesuit, Bruder Nicolas Gómez heißt er, lebt weitab von jeder Stadt, im Innern Argentiniens – da wo es kein Handynetz mehr gibt und wohin die Post nur hin und wieder durchkommt. „Manchmal kommt sie, manchmal nicht. Wir haben das Problem, dass wir in der Einöde leben; da geht die Post unterwegs schon mal verloren.“

Das ist das Bistum Anatuya, in der Region von Santiago del Estéro. Eine der ärmsten Regionen Argentiniens. „Unsere Straßen sind nicht asphaltiert, und die Häuser unserer Leute sind einfach aus Erde, aus Lehm, mit Strohdächern.“ Zusammen mit drei Mitarbeitern macht Bruder Gómez hier Radio: FM Monsenor Gottau heißt es, zu deutsch ungefähr: Bischof Gottau UKW, benannt nach einem mittlerweile verstorbenen Bischof. Ein Pfarreiradio. Insgesamt leiten die Jesuiten über hundert Radiosender in ganz Lateinamerika; drei sind`s in Argentinien, dieses hier gehört zur Pfarrei San José del Boquerón, die von dem Jesuiten Marcos Aleman geleitet wird. „In einer Gegend, wo es kein Handynetz gibt, hat ein Pfarreiradio eine besondere Bedeutung“, erzählt Bruder Gómez, „es ersetzt sozusagen das Telefon. Wir geben unsere Nachrichten an andere, die wir sonst vielleicht per SMS verschicken würden, übers Radio weiter. Wenn jemand zum Beispiel einen Arzttermin in der Stadt bekommt, dann sagen wir ihm über das Radio: Am Mittwoch müssen Sie nach Santiago reisen, weil Sie beim Arzt dran sind.“

Auch wenn ein Kranker irgendetwas braucht, kümmert sich Radio FM Monsenor Gottau darum. So nah an den Leuten, wie nur ein Pfarreiradio es sein kann. Gesendet wird abends und nachts, auf dem Programm stehen auch Bildungsprogramme. Nicht nur religiöse Bildung, sondern auch Schulfunk. „Wir haben Abmachungen mit Lehrern in den Dörfern getroffen und strahlen entsprechende Programme für die Schulkinder aus. Zum Beispiel erzählen wir über das Radio ein Märchen – sagen wir mal: Rotkäppchen. Ein Klassiker! Und die Lehrer sprechen dann die ganze folgende Woche lang über dieses Märchen. Mit unserer Sendung verstärken wir den Unterricht; bei uns gibt es auch Grammatik-Stunden oder Mathe, oder Allgemeinwissen.“

Das arme Rotkäppchen irrt im Text der Brüder Grimm durch den Wald, wo ihm der böse Wolf auflauert. Auch hier in dieser Weite der argentinischen Provinz würde sich Rotkäppchen bestimmt verirren. „Damit Sie sich mal eine Vorstellung machen, wo ich lebe: Manchmal bin ich acht Stunden mit dem Fahrrad unterwegs und treffe nicht eine Menschenseele. Nur Tiere sehe ich, Ziegen oder Esel, sonst niemand. Ich muss also immer viel Werkzeug dabeihaben, falls mir mal mein Fahrrad kaputtgeht. Und stellen Sie sich mal vor, wie man sich dann freut, wenn man in ein Dorf kommt, da kommen mir die Kinder hinterher gerannt!“ Radio ist „unglaublich“, findet der radelnde Jesuitenbruder. Wo es überall hinkomme, und so mühelos! „Wir haben ein Dorf, das ist nur 45 km entfernt, aber weil der Weg so schwierig ist, dauert es mindestens zweieinhalb Stunden, bis man da ist.“ Mit dem Auto oder dem Bus wohlgemerkt, nicht mit dem Fahrrad. „Mit dem Radio hingegen kommen wir sofort hin, und wir wissen, dass man uns gut zuhört: Wenn die Leute uns besuchen oder wenn ich mit dem Fahrrad von einem Dorf zum anderen fahre, erzählen sie uns immer genau, was sie alles gehört und gelernt haben!“

Das liegt daran, dass bei den einfachen Menschen hier Radio FM Monsenor Gottau längst zur Familie gehört. Darauf haben es die Jesuiten-Macher auch abgesehen. „Jeden Tag haben wir mindestens ein Märchen im Programm und ein Gute-Nacht-Lied. Wir wollen nämlich nicht nur Nachrichten weitergeben, sondern eine Art Familienerweiterung sein. Daran kranken aus meiner Sicht andere Radiostationen in Argentinien: Die senden viele Nachrichten und viel Musik, aber ansonsten sprechen sie die Leute gar nicht direkt an und bilden sie nicht weiter. Radio ist aber nicht nur Information, sondern auch Formation: Ausbildung für die Leute.“

Internet? Der Zugang ist „schwierig“, sagt Bruder Nicolas Gómez. Aber auf der Homepage „Inter Mirifica“ des globalen Networks katholischer Medien findet man eine eigene Webseite zu Radio FM Monsenor Gottau. „Reichweite: lokal“, heißt es da. Unten haben einige hundert Menschen Nachrichten hinterlassen; wenn man die überfliegt, bekommt man eine Vorstellung davon, wie nah dieser Sender an seinen Hörern ist. „Hallo José, uns geht`s gut, wir kommen bald mal wieder zu Besuch.“ „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Pirincho! Deine Missionsgruppe Santa Teresita.“ Und so weiter, in dem Stil.

„Die Pfarrei hat eine Ausdehnung von hundert Quadratkilometern. Und in dieser gebirgigen Gegend gibt es 91 Dörfchen. Dörfchen, die jedes zwischen fünf und fünfzehn Bauernhöfe haben. Insgesamt leben hier nur 8.000 Menschen. Hier entdeckt man wirklich, was Radio ist – nicht nur etwas, das dir Gesellschaft leistet, sondern etwas, was Menschen erzieht und zu Familien zusammenbringt. Für uns ist nichts schwierig oder unmöglich: Das Entscheidende schaffen wir, nämlich dass das Wort des einen zum anderen kommt. Wenn man im Studio sitzt, hat man manchmal das Gefühl: Das hört ja doch keiner da draußen. Aber unsere Worte kommen doch an: Worte der Hoffnung, Worte der Freude. Worte, die wachsen lassen.“

(rv 20.05.2013 sk)








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