Kardinal Scola: „Religionsfreiheit garantieren, um Gemeinwohl zu schützen“
Im Zeichen der Religionsfreiheit
steht das aktuelle Treffen von Kardinal Angelo Scola und dem ökumenischen Patriarchen
Bartholomaios I. in diesen Tagen in Mailand. Der Besuch des Oberhauptes der Weltorthodoxie
in der norditalienischen Stadt ist der Höherpunkt zum 1.700 Jahr-Jubiläum des „Mailänder
Edikts“, das im Jahr 313 für das ganze Römische Reich die Religionsfreiheit festschrieb.
An diesem Donnerstag, dem letzten Besuchstag von Bartholomaios, steht ein ökumenischer
Gottesdienst auf dem Programm, bei dem der Mailänder Erzbischof Scola dem Gast aus
Konstantinopel Reliquien des frühkirchlichen Heiligen und Kirchenvaters Ambrosius
überreicht. Im Interview mit Radio Vatikan betont Kardinal Scola ein gemeinsames Anliegen
der beiden Kirchenvertreter:
„Wir möchten zusammen darauf hinweisen, dass
eine wahre und in allen Bereichen respektierte Religionsfreiheit den Christen erlaubt,
ihren Beitrag für die Gesellschaft geben zu können. Zweitens ermöglicht dies auch
die „nicht-konfessionelle“ Seite des Staates neu zu definieren – damit die Christen
ein neues Verhältnis zur verfassungsgebenden Gewalt finden können, das frei von jeder
Einmischung ist und zugleich konstruktiv für das Wohl aller.“
Die Laizität
des Staates werde bisweilen missverstanden, sagt Scola. Man habe Angst, „dass das
religiöse Angebot die Rechte des Anderen in irgendeiner Weise beschneidet“, so der
Kardinal, der einen Seitenblick auf das streng laizistische Frankreich wirft. Im Verständnis
des Christentums sei Religiöses jedoch nicht vom Gesellschaftlichen zu trennen, so
Kardinal Scola weiter. Jesus begleite die Menschen schließlich in allen Lebensbereichen.
Dieser Ganzheitlichkeit müsse der Staat Rechnung tragen, so der Kardinal:
„Es
ist unvermeidbar, dass aus Sicht des Glaubens eine besondere, andere Einstellung zur
Sexualität entspringt, das gilt auch gegenüber der Ehe, der Familie sowie dem Empfängnis
des Lebens bis zu dessen natürlichem Tod, ebenso gründet eine Auffassung von Gerechtigkeit,
auf Solidarität, Subsidiarität und Teilen. Eine gute Regierung müsste die Zivilgesellschaft
fördern und darf sie nicht lenken, sie muss sie (lediglich, Anm. d. Red.) regieren:
diesen beständigen Austausch fördern, diese beständige Erzählung, um dann auf Gesetzesebene
Orientierung darüber zu schaffen, was das Volk zeigt.“
Mit anderen Worten:
Es braucht Gesetze, die aus dem Leben der Zivilkultur entstehen und nicht solche,
die aufoktroyiert werden – so könnte man Scola hier übersetzen.
Studienseminar
in Istanbul zur Religionsfreiheit Übrigens: Zum Thema Religionsfreiheit
in Europa halten das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel und der Rat der Europäischen
Bischofskonferenzen (CCEE) ab kommenden Freitag ein gemeinsames Studienseminar in
Istanbul ab. Es findet im Rahmen der Feierlichkeiten zum „Mailänder Edikt“ statt und
findet auf Einladung von Bartholomaios statt.