Bangladesch: „Mindeststandards bei der Arbeit dringend nötig“
Die Polizei hat an
diesem Samstag im Zusammenhang mit dem Einsturz eines Gebäudes in Bangladesch mindestens
acht Personen festgenommen, darunter sind nach Medienangaben auch zwei Leiter von
Textilunternehmen. Am Mittwoch war in Dhaka ein achtstöckiges Geschäftshaus eingestürzt;
dabei kamen bislang mehr als 300 Menschen ums Leben, mehr als 2000 wurden verletzt.
Das Gebäude, das auch fünf Textilfabriken beherbergte, war illegal erbaut worden.
Noch einen Tag vor dem Einsturz waren Sicherheitsmängel beanstandet worden. Radio
Vatikan hat mit Tito Boeri, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Mailänder
Universität Bocconi, darüber gesprochen, wieso diese Tragödie nicht verhindert worden
ist:
„Ich glaube, das hängt vor allem mit den nationalen Regierungen zusammen,
die nicht in der Lage sind, die Einhaltung der internationalen Mindeststandards für
Arbeit zu garantieren. Das Problem ist, dass in Bangladesch Mitglieder des Parlaments
und der Regierung gleichzeitig auch große Anteile an Geschäften halten. Deshalb haben
sie natürlich Interesse daran, den Profit dieser Geschäfte zu erhöhen und drücken
bei den Kontrollen öfter mal ein Auge zu – obwohl diese dringend nötig sind.“
Die
Agentur Asianews berichtet, einer der Geschäftsbesitzer in dem Gebäude habe von der
großen Gefahr gewusst, und seine Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen am Tag des Einsturzes
nicht zur Arbeit geschickt. Anderen Arbeitern sei hingegen von ihren Chefs gedroht
worden, dass ihnen der Lohn für drei Tage abgezogen würde, wenn sie einen Tag fehlen
würden. Solche Arbeitsbedingungen seien nicht nur in Bangladesch, sondern in ganz
Asien ein Problem, erklärt Boeri:
„Das ist in der Tat ein sehr ernstes Problem,
vor allem im Bereich der Bekleidungsindustrie. Dort herrschen wirklich unmenschliche
Arbeitsbedingungen. Leider sind das Dinge, die auch von den multinationalen Unternehmen
viel stärker wahrgenommen werden müssten. Sie müssen mit dafür sorgen, dass die Mindeststandards
bei der Arbeit in diesen Ländern eingehalten werden. Vor allem muss man die enge Verbindung
der Industrie mit der Regierung unterbinden.“
Während die Sicherheitskräfte
unter den Trümmern nach weiteren Opfern suchten, demonstrierten in Bangladesch mehrere
Hundert Menschen für bessere und sichere Arbeitsbedingungen. Boeri betonte im Gespräch
mit Radio Vatikan, dass es auch in Europa, zum Beispiel in Italien, teilweise ähnlich
schlechte Arbeitsbedingungen gebe, besonders junge und arme Einwanderer würden oft
ausgebeutet.