Rupert Neudeck wirft
der deutschen Regierung Untätigkeit in der Syrienkrise vor. Im Interview mit dem Kölner
Domradio erklärt der Gründer der Hilfsorganisationen „Grünhelme“ und „Cap Anamur“,
besonders Christen seien dem Land verpflichtet. Neudeck ist gerade von einer Syrienreise
zurückgekommen, die ihn durch Rebellengebiete geführt hat.
„Das syrische
Volk leidet entsetzlich. Seit zwei Jahren wird es von der eigenen Regierung und Armee
hemmungslos beschossen. Und es kann sich nicht helfen, außer es verlässt das Land
und flieht. Das ist der große Skandal.“
Die Lage sei „weiterhin brandgefährlich“,
so Neudeck. „Es ist noch gefährlicher für die Menschen, die dort bleiben müssen,
als für uns Helfer. Aber für uns ist es auch gefährlich, weil sich das Risiko nicht
kalkulieren lässt. So habe ich nach meiner Rückkehr erfahren, dass ein Ort, durch
den wir gekommen sind und der sehr ruhig war, am Montag bombardiert wurde von der
syrischen Luftwaffe. Man hat niemals die Sicherheit, dass so etwas nicht passiert!“
Der
Westen, auch Deutschland, versage angesichts der Syrienkrise.
„Das hat sicherlich
auch mit Vorurteilen zu tun. Wir haben noch immer kein richtiges Verhältnis zu der
arabischen Welt entwickelt. Die gilt uns immer noch als verdächtig, als suspekt, als
terroristisch versucht. Das hat mit dem Islamischen zu tun. Und ich fürchte, dass
das auch ein Grund für die bislang ausbleibende Empörung ist.“
Europäer
vergäßen allzu leicht, „dass es Menschen in traditionellen Gesellschaften gibt, für
die Religion etwas unglaublich Wichtiges ist“, so Rupert Neudeck.
„Ohne
eine Religion kann man für das Bewusstsein eines Syrers, Afghanen oder Somalis gar
nicht leben. Und das gipfelt in diesem Konflikt noch einmal dadurch, dass Syrien eines
der urreligiösen Länder der Erde ist. Das sollten wir als Christen auch wissen: Dass
es nächst Palästina eines der reichsten Länder in unserer Tradition ist. In Damaskus
wurde Saulus zu Paulus. Es gibt viele Orte, wo alte römische und christliche Baudenkmäler
stehen. Es gibt eine große Christengemeinde. Es gibt noch Christen, die die Sprache
Jesu Christi sprechen, nämlich das Aramäische. Das wird alles vergessen, dass es sich
um ein tief religiöses Land handelt.“