Ruanda: „Damals sind fast alle die ich kannte, getötet worden“
Am 6. April 1994 begannen
die dramatischen 100 Tage des Völkermords von Ruanda. Systematisch wurde in dem ost-zentralafrikanischen
Land die unvorstellbare Zahl von mindestens 800.000 Menschen umgebracht. Der Grund
für eines der blutigsten Scharmützel in der Geschichte des 20. Jahrhunderts: ethnische
Streitigkeiten, die eskaliert sind und Nachbar gegen Nachbar aufgebracht haben. Vor
allem die Tutsi haben Opfer zu beklagen, etwa 75 Prozent dieser damals in Ruanda lebenden
Minderheit kommen bei dem Massaker ums Leben. Doch auch moderate Hutu, die sich teils
aktiv gegen den Völkermord eingesetzt hatten, sind durch Angehörige ihrer eigenen
Kaste gezielt getötet worden. George Gatera ist nach dem Mord an seiner Familie aus
Ruanda geflohen. Im Radio Vatikan Interview erinnert er sich an damals:
„Ich
war im April in Ruanda und habe alles miterlebt. Ich bin mit dieser Mentalität aufgewachsen,
dass alle Menschen nach ihrer Ethnie klassifiziert wurden. Die Tutsis waren als zweitklassig
angesehen. In Ruanda bestand die Mehrheit aus Hutu, sie stellten etwa 80 bis 85 Prozent
der Bevölkerung. Die Tutsi waren in der Minderheit, etwa 14 Prozent. Das soziale Geschehen
basierte auf diesen Zahlen. Man lebte so, und das galt auch für die Schulplätze, die
Arbeit, das tägliche Leben, bis im Jahr 1994 die Regierung entschieden hat, den Anteil
der Tutsi im Land sozial zu eliminieren.“
Die Aufteilung der Bevölkerung
in verschiedene Ethnien oder Kasten stellte ein Relikt der Kolonialzeit Anfang des
20. Jahrhunderts dar. Ursprünglich war die Minderheit der Tutsi in diesem Denkschema
als politische und wohlhabendere Elite vorgesehen, doch nach dem Abzug der Kolonialmächte,
zu denen unter anderen auch Deutschland gehörte, wendete sich das Blatt. Der 6. April
1994 stellt nun für immer das Datum dar, an dem der unterschwellige Hass gegen die
Minderheit zu seinem brutalen Ausbruch kam.
„Es gab einen derartigen Hass
gegen die Tutsi, dass man am Morgen des 7. April nicht auf die Straße gehen konnte,
man konnte sich nicht aus dem Haus wagen oder auch nur irgendetwas tun… Mit dem Vergehen
der Stunden ist eine regelrechte Menschenjagd aufgebrochen, und alle, vom Ältesten
bis zum Jüngsten, wurden getötet. Sie haben alles verbrannt… In diesen Tagen sind
fast alle Personen, die ich kannte und mit denen ich gelebt hatte, getötet worden.”