2013-03-23 13:05:24

Unser (Hör-)Buchtipp der Woche


RealAudioMP3 Sequentia – Ensemble for medieval music: Hildegard von Bingen (sämtliche Kompositionen auf CD). Eine Empfehlung von Stefan Kempis.

Schade, dass es vom heiligen Franziskus, dem „Namenspatron“ des neuen Papstes, keine eigenen Vertonungen seiner Dichtungen gibt! Aber immerhin haben wir ja die (zeitlich etwas älteren) Kompositionen der heiligen Hildegard von Bingen. Diese außergewöhnliche Frau des 12. Jahrhunderts, die Christusvisionen hatte, über Medizin und Naturwissenschaften forschte, Kaisern ins Gewissen redete und eine eigene Sprache erfand, hat auch komponiert: Sie gehört zu den äußerst seltenen Musikern ihrer Zeit, deren Namen, deren Oeuvre wir kennen. Und die Gruppe „Sequentia“, Spezialistin für mittelalterliche Musik vor 1300, hat ihr Werk auf CD herausgebracht: 77 Gesänge verschiedener Gattungen, zum Beispiel Hymnen und Antiphonen (manchmal ist die Gattung auch nicht ganz klar), sowie ein Geistliches Singspiel.

Hildegard vertonte eigene, religiöse Texte; sie erhob den Anspruch, zu ihren Visionen himmlische Musik gehört und diese in der damals noch relativ neuen Vierlinien-Notenschrift aufgezeichnet zu haben. Zwei große Kodizes aus den sechziger Jahren des 12. Jahrhunderts haben die Kompositionen in die Neuzeit hinübergerettet. Lange hielten die Forscher es für unmöglich, dass die Kompositionen der Äbtissin aus der Pfalz in der Liturgie ihrer Schwestern gesungen wurden; doch genau davon geht man mittlerweile aus. Vom normalen gregorianischen Gesang der Zeit unterscheiden sich die Kompositionen deutlich, manche glauben diesen Klängen ihre Ausnahmepersönlichkeit anhören zu können. Typisch ist die breite Spannweite von ganz tiefen zu ganz hohen Tönen: Sie will, wie in der Beschreibung ihrer Visionen, das Unsagbare ausdrücken. Nach ihrem Verständnis weist die Musik auf etwas Höheres, sie bringt die von Gott geschaffene Harmonie der Schöpfung zum Klingen. Musik als Brücke zwischen Himmel und Erde, zwischen Schöpfer und Schöpfung.

Die Kirchenmusikerin Barbara Stühlmeyer sieht Hildegards Kompositionen als einen weiteren Nachweis ihrer „menschenfreundlichen Theologie“. „Entgegen dem Mainstream, in dem die Sünde Evas allen Frauen angerechnet wurde, ließ Hildegard ihre Schwestern (in einem Mariengesang) singen: DenTod, den eine Frau gebracht, hat eine lichte Jungfrau überwunden. Darum ruht höchster Segen auf der Gestalt der Frau vor aller Kreatur.“

Veröffentlicht von der Deutschen Harmonia Mundi, ca. 32 Euro.

(rv 23.03.2013 sk)







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