„Arme Kirche“ und „Entweltlichung“: Zwei Seiten derselben Medaille?
Lateinamerika bekommt
nach der Wahl Papst Franziskus ganz neu Aufmerksamkeit, das kirchliche Leben dort,
das das Leben von Jesuitenpater und Erzbischof und Kardinal Jorge Bergoglio geprägt
hat, habe viel, was die europäische Kirche lernen könne. Das sagt im Interview mit
Radio Vatikan der Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck. Wenn Papst Franziskus eine
„arme Kirche“ und eine „Kirche der Armen“ wolle, könne das auf verschiedene Weise
verstanden werden.
„Es gibt eine Armut, die einfach nur bedrückend ist und
die weder wünschenswert noch selig zu preisen ist. Der abzuhelfen sind wir alle aufgerufen,
da wo wir sind. Es gibt eine andere Armut, die ich mit der Bereitschaft zur Bescheidenheit
und der Bereitschaft zu Tiefe beschreiben würde. Die kann man am heiligen Franziskus
von Assisi lernen und an Menschen, die bereit sind, viel abzugeben oder die wenig
haben. Die Weise des Vertrauens, die mir in Lateinamerika immer entgegen kommt, ist
ein solches Beispiel für echte Bescheidenheit, die von Herzen kommt und gleichzeitig
auch das zu teilen, was man hat. Das ist oft ganz wenig, aber das kommt von Herzen
und zeugt von Tiefe. So eine Armut kann ich uns auch nur wünschen.“
Das
Hilfswerk Adveniat hat mit dem Erzbistum Buenos Aires einige Projekte gestaltet, unter
anderem ein Jugendprojekt oder auch ein Projekt zur Aus- und Weiterbildung von Theologinnen.
Ohne die Hilfe aus den Kirchen in Europa hätte vieles von dem, was in Lateinamerika
in den letzten 50 Jahren gewachsen ist, nicht wachsen können, so Essens Bischof Overbeck.
Auf der anderen Seite brauche es ein waches Herz dafür, was die europäische Kirche
von Lateinamerika lernen könne.
„Das eine ist die Herausforderung durch
Sekten und durch andere Religiöse Bewegungen. Die Art und Weise, wie die Kirche in
Lateinamerika darauf zugeht, ist etwas, von dem wir viel lernen können. Etwas zweites,
von dem ich immer wieder spreche, ist eine wunderbare einfache und von Herzen kommende
Verbundenheit mit Gott und untereinander. Die bewegt mich und ganz viele andere. Die
wünsche ich uns hier. Die kann man natürlich nicht machen, die kann ich nur erzählen
und von der her ermuntern und hoffen, dass Menschen einfach ihr Herz öffnen und in
Beziehungen nicht so kompliziert sind.“
„Arme Kirche“ ist die Formulierung,
die Papst Franziskus gebraucht hat. Das kann mit einem Begriff zusammen gehen, den
Papst Benedikt XVI. geprägt hat.
„Es ist eine interessante intellektuelle
aber auch strukturelle Frage, ob Entweltlichung und Armut sich nicht wie zwei Seiten
derselben Medaille begreifen können; das eine als die intellektuelle Ansage, die nachdenklich
machende Frage wie weit wir ein Selbstbewusstsein haben, das aus dem Glauben kommt.
In dieser Weise ist es wirklich angesagt, arm zu werden, nämlich ganz auf Gott zu
vertrauen. Auf der anderen Seite gehört zur Entweltlichung auf keinen Fall, die vielen
positiven Elemente der Kirche in Deutschland zu vernachlässigen, mit denen wir vielen
anderen helfen können.“