Kardinal Schönborn: „Er setzt den Namen Franziskus in die Tat um“
Mit vielen Gesten der Einfachheit und der Demut hat der neue Papst die Öffentlichkeit
schon in der ersten Woche nach der Papstwahl überzeugt. Der Wiener Erzbischof, Kardinal
Christoph Schönborn, hat Bergoglio vor Jahren persönlich in Buenos Aires kennengelernt,
als Schönborn dort die Ordensgemeinschaft der kleinen Brüder und Schwestern vom Lamm
besuchte, der er als Bischof vorsteht. Die Einfachheit und Demut, die in diesen Tagen
am neuen Papst so betont würden, seien „real“, betonte Kardinal Schönborn direkt nach
der Papstwahl vor Journalisten in Rom. „Das ist keine Erfindung, das ist Realität.
Ich habe ihn selber in Buenos Aires erlebt, noch als Weihbischof. In seiner Schlichtheit,
Klarheit, aber auch in seiner mutigen Art. Ich habe einen Mann kennengelernt, der
sehr unkompliziert und sehr aufmerksam bei den Leuten, bei den Armen, ist. Der auch
sehr den Priestern nahe ist.“
Kurz darauf sei Bergoglio Erzbischof geworden.
Auch in dieser Rolle habe er eine gute Figur gemacht, erinnert sich Schönborn: „Mir
ist aus vielen Erzählungen der Schwestern und Brüder nahe gekommen, dass man sich
einen Bischof wie ihn wirklich wünschen kann. Einen Bischof, der auch in den schwierigen
wirtschaftlichen Situationen – denken Sie an die jüngste große Finanzkrise von Argentinien
– sehr mutig und weitsichtig handelt, der ncht nur ideologisch, sondern auch inhaltlich
sehr klar Position bezogen hat und Orientierung geben konnte.“ Demütig sei
Bergoglio auch den Kardinälen unmittelbar nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Papstwahl
erschienen, berichtet Schönborn weiter. Die Kleiderwahl nach dem „accepto“, „ich nehme
die Wahl an“, habe schon Bände gesprochen: „Er kam in Weiß heraus aus der berühmten
Tränenkammer – der kleinen Sakristei der Sixtina - und hatte nur die weiße Soutane
an. Nicht die berühmte rote Mozetta mit Hermelin. Eine erste Geste der Einfachheit.
Er hatte sein Brustkreuz behalten, sein einfaches Brustkreuz, das er als Bischof getragen
hat. Und seine erste Geste war, nicht zu warten, bis wir zu ihm kommen zur Huldigung.
Sondern er ist schnurstracks durch die Sixtina gelaufen, fast mit zügigem Schritt
auf einen Mitbruder zu, einen Kardinal, der schwer gehbehindert ist und der nicht
zu ihm nach vorne kommen kann. Er ist geradewegs auf ihn zu und hat ihn umarmt. Und
wir waren alle sehr beeindruckt von dieser einfachen Geste.“ Einen weiteren
Akzent der Demut habe Bergoglio mit seiner Entscheidung für den Transport im Bus,
nicht im Mercedes, gesetzt. „Weitere Überraschung, die die Mitarbeiter im Vatikan
besonders berührte: Es stand dann unten, nach der Begrüßung auf der Loggia, der große
Mercedes bereit mit der Nummer 1 – Vatikan Nr. 1 – und er hat gesagt: ,Nein, nein,
ich steige in den Bus ein.‘ Der Bus, der für uns Kardinäle bereit stand, um uns nach
Santa Marta zu bringen. Er ist mit uns im Bus mitgefahren. Kleine Zeichen, die viel
sagen.“ „Er setzt den Namen Franziskus in die Tat um“
Und
die sich perfekt einfügen in das Programm des heiligen Franziskus, dessen Namen Bergoglio
als Papst wählte, so Schönborn:
„Alles kleine Dinge, die aber sehr viel
über den Menschen sagen und die den Namen Franziskus schon in die Tat umsetzen. Ich
denke, wir werden von ihm noch so manche starke Zeichen und manche wirkliche Entscheidungen
mit Tragweite erleben. Er erinnert in erstaunlicher Weise an Papst Johannes XXIII.,
auch an Johannes Paul I., in der Unbeholfenheit seiner ersten Gesten auch stark an
Papst Benedikt, und in der starken Beziehungsfähigkeit zu den Menschen an Papst Johannes
Paul II.“
Er selbst und Kardinal Scherer hätten sich ja bei einer Wallfahrt
nach Assisi sowieso schon gefragt, warum sich eigentlich kein Papst bisher Franziskus
genannt habe. Als Bergoglio die Papstwahl annahm und sich Franziskus nannte, hätten
sich der Brasilianer und der Österreicher angesehen und „gelächelt“, erzählt Schönborn.
„Von
Anfang an ein starker Kandidat“
Was die divergierenden Prognosen zur
Papstwahl betrifft – Bergoglio sei schon von Anfang an, zumindest innerhalb des Konklaves,
als starker Kandidat wahrgenommen worden, verrät Schönborn: „Ich sage jetzt
nicht, wie die Gespräche unter uns waren, das ist interne Sache. Eines können wir
aber mit Sicherheit sagen: Kardinal Bergoglio wäre nicht im fünften Wahlgang Papst
geworden, wenn er nicht von Vornherein ein ganz starker ;papabile‘ gewesen wäre. Ein
Konklave, was ein bisschen mehr als 24 Stunden dauert, das gehört zu den kürzesten
in der Papstgeschichte. Das zeigt große Einmütigkeit, große Gemeinsamkeit, ein starkes
gemeinsames Hinschauen auf den, von dem wir glauben, dass er der von Gott für diese
Zeit bestimmte Nachfolge von Petrus ist.“ Und was wird von diesem Papst theologisch
zu erwarten sein? Darauf antwortet Schönborn nur vorsichtig:
„Ich glaube,
die Kontinuität in der Erneuerung ist hier gegeben. Und es ist groß und schön, dass
wir einen ersten Papst aus Lateinamerika haben. Ich kenne seine eigenen Schriften
nicht, muss ich ehrlich sagen. Ich weiß, dass er in Deutschland studiert und promoviert
hat. Er spricht auch hervorragend deutsch. Er galt und gilt in Lateinamerika durchaus
als ein traditionsverbundener Theologe. Aber ich traue mich jetzt hier nicht, ihn
schulisch einzuordnen. Ich weiß mehr über sein Wirken, aber ich denke, das werden
wir jetzt mit großem Interessen anschauen, was er bisher geschrieben hat. Er hat ja
einige Bücher veröffentlicht, die in Lateinamerika nicht unbekannt sind…“
„Er
wird der deutschsprachigen Kirche guttun“
Schönborn glaubt, dass die
Wahl eines Argentiniers auf den Stuhl Petri der Kirche im deutschsprachigen Raum guttun
wird:
„Zuerst einmal: Habemus papam. Wir sind dankbar, wieder einen Papst
zu haben. Und er bedeutet für die deutsche Kirche, was er für alle Kirche der Welt
bedeutet, er ist das sichtbare Einheitsband aller Kirchen. Und für uns im deutschsprachigen
Raum ist es ganz wichtig, den Blick auf die Weltkirche nicht zu verlieren. Wir neigen
ja immer etwas dazu, unsere Welt für das Zentrum der Welt zu halten – unsere deutschsprachige
Welt. Es tut uns gut, durch ihn den Blick auf die große Welt Amerikas – Nord- und
Südamerika – gerichtet zu bekommen. Auch auf deren großen gesellschaftlichen sozialen
Probleme.“ Der neue Papst, der in seinen ersten Ansprachen Hölderlin zitierte
und ein Buch des deutschen Kardinals Kasper erwähnte, hat einen Bezug zu Deutschland.
Schließlich habe er in Deutschland studiert, so Schönborn:
„Er hat in Deutschland
promoviert, in München. Dadurch hat er einen starken Bezug zu Deutschland, zur deutschen
Kultur. Er spricht fließend Deutsch. Das ist natürlich auch erfreulich, einen Papst
zu haben, der sehr gut deutsch spricht. Und vielleicht wird er uns helfen, manche
Akzente neu zu setzen. Seine so klare Betonung des Evangeliums, der Einfachheit, der
Armut – das tut uns allen gut! Und vor allem das viele Reden über die neue Evangelisierung
– das bekommt durch ihn ein ganz klares Gesicht. Das ist eben nicht nur ein Schlagwort,
sondern eine Lebensrealität. Was wir hören über seinen Lebensstil ins Buenos Aires…
Das ist für uns deutsche Bischöfe durchaus Anlass zur Besinnung“
„Bischof
von Rom“ Und was bedeutet es für das Petrusamt, wenn
jetzt ein Jesuit Papst ist? Dazu Schönborn:
„Ich würde sagen, bei Gott ist
nichts unmöglich (lacht). Es ist insofern ungewöhnlich, als Ignatius sehr entschieden
nicht wollte, das seine Mitbrüder Bischöfe werden. Trotzdem gibt es in der Welt sehr
viele Jesuitenbischöfe. Wir hatten einen sehr großen Jesuitenbischof in Italien –
Kardinal Martini. Ich weiß jetzt nicht, wie viele Jesuitenbischöfe es weltweit gibt,
aber es sind sicher nicht wenige. Jetzt haben wir zum ersten Mal einen Papst aus dem
Jesuitenorden. Manche ironische oder scherzhafte Bemerkungen sind ja schon gekommen:
,Jetzt gibt es neben dem schwarzen Papst auch einen weißen Papst aus dem Jesuitenorden‘
usw. Man nennt ja den Jesuitengeneral den schwarzen Papst, nicht weit vom Vatikan
im Generalat.“
Dass der neuen Papst sich selbst in seinen ersten Worten
als „Bischof von Rom“ bezeichnete, ist laut Schönborn nur folgerichtig. Auch Franziskus‘
Vorgänger hätten betont, dass der Papst ganz wesentlich Bischof von Rom sei:
„Das
ist theologisches Urgestein, das es immer in Erinnerungen zu rufen gilt. Der Papst
ist deshalb in der Weltkirche in dieser besonderen Position, weil er der Nachfolger
des Apostel Petrus auf dem Bischofsstuhl Petri, dem Bischofsstuhl von Rom, ist. Der
ist zugleich der Ort des Martyriums, der Ort der Koryphäen, der Apostel, wie man sie
nennt, Petrus und Paulus. Das ist das Besondere an der Kirche von Rom. Der Bischofssitz
von Rom ist der erste unter den Bischofssitzen der Weltkirche. Papst Benedikt hat
immer betont und Papst Johannes Paul II auch sehr oft: Ich bin Bischof von Rom. Papst
Johannes Paul II., der über 300 Pfarren in Rom besuchte, sagte immer: Meine Aufgabe
ist, zuerst Bischof von Rom zu sein. Und weil ich Bischof von Rom bin, habe ich die
universalkirchliche Aufgabe. Da ist eine starke Kontinuität in dem Selbstverständnis
der letzten Päpste.“
Diese ganz persönliche Beziehung des Papstes zur Kirche
von Rom sei auch in der Geste von Franziskus deutlich geworden, dass er „seinen Vikar
gleich neben sich haben wollte“:
„Er hat den Kardinal Vallini geholt und
den Kardinal Hummes, der ihn begleitet hat, ich vermute aus Freundschaft – auch ein
Lateinamerikaner. Und dann hat er den Kardinal vorgestellt: Mein Vikar. Der, der für
mich mein Stellvertreter in Rom ist, aber ich bin euer Bischof. Ich denke, das ist
ganz wichtig, auch für das Verständnis weltweit von der Rolle des Papstes. Natürlich
ist das auch eine starke Betonung der bischöflichen Kollegialität.“