Kardinal Scherer: „Wir bieten kein Wunder an, sollten aber zuhören“
Eine große Herausforderung
für die katholische Kirche in Lateinamerika sind die Freikirchen und auch die Sekten,
die in den vergangenen Jahren zahlenmäßig enorm zugenommen haben. Bei einem Pressegespräch
im Jahr 2008 deutete der Erzbischof von Sao Paolo und Kardinal Odilo Pedro Scherer
an, dass die katholische Kirche diese Entwicklung auch durch ein stärkeres Zugehen
auf die Menschen aufhalten könne.
„Man weiß, dass es natürlich innerkirchliche
Gründe gibt, wir müssen in der Kirche vielleicht ein bisschen anders handeln. Das
heißt, wir müssen mehr auf die Leute zugehen und nicht warten, bis Leute zu uns kommen.
Wir müssen viel mehr die Leute verstehen und nicht einfach Befehle erteilen. Verstehen
bedeutet, ihre Nöte zu kennen.“
Die katholische Kirche in Lateinamerika
habe sich durch das Auftreten der Freikirchen sehr verändert, so Scherer. Die christlichen
Sekten würden sehr aggressiv um Neumitglieder werben.
„Wir können diese
Art des Handelns nicht nachahmen. Das wäre nicht korrekt. Uns ist heute ganz bewusst,
dass wir dem Volk helfen sollen, freiwillig und bewusst den Glauben anzunehmen.“
Eine
große Schwierigkeit sei das Versprechen der Sekten, durch angebliche Wunderheilungen
helfen zu wollen.
„Wenn ich den Menschen verspreche, dass wir Wunder erfüllen
können, dann betrügen wir die Leute. Wir besitzen keine Wundermittel. Die Menschen
gehen oft dorthin, um ein Wunder zu erhalten, wie beispielsweise für die Gesundheit
oder um eine Arbeit zu finden. Das Problem ist, wenn wir die Leute betrügen, kann
das ein oder zweimal gut gehen, doch dann gehen sie in keine Kirche mehr.“
Eine
weitere Schwierigkeit für die katholische Kirche in Lateinamerika sei die Gesellschaftsstruktur,
so Kardinal Scherer.
„Heute leben mehr als 80 Prozent der Bevölkerung in
der Stadt – und ganz besonders in den großen Metropolen – und dort sind wir nicht
so gut präsent. Es kommt vor, dass manchmal ein Pfarrer für 200.000 Menschen zuständig
ist. Das ist nicht angemessen.“