Was macht eigentlich
ein frisch gewählter Papst, welche ersten Schritte muss er seinem Amt gemäß setzen?
Wir sprachen vor der Papstwahl mit dem Historiker Ulrich Nersinger und beginnen in
dem Moment vor dem „Habemus Papam“.
Der Auszug des frisch gewählten Papstes
aus der Sixtina zur Mittelloggia des Petersdomes: hat das wieder einen Prozessionscharakter
wie der Einzug ins Konklave, oder ist das eine eher informell-freudige Sache?
Ich
würde sagen, informell-freudig. Mich hat stark beeindruckt, was wir da 2005 gesehen
haben. Dass der Papst sich zeigt und an allen anderen Fenstern die Kardinäle in sehr
lebendiger Weise erscheinen, also nicht mit gefalteten Händen, sondern auch mal einen
Blick werfen auf die Menge am Petersplatz, das ist ein sehr lebendiges Zeichen.
Es
IST ja auch etwas Freudiges, einen neuen Papst zu haben, als solches steht es auch
in der Verkündigungsformel. Das WHabemus PapamW selbst, diese öffentliche Formel der
Bekanntgabe des neuen Papstes: Warum verkündet es der Kardinalprotodiakon?
Er
ist der ranghöchste der Kardinaldiakone. Man hat diese ganzen verschiedenen Zeremonien
verteilt auf die einzelnen Rangstufen der Kardinäle. Da kommt dem Protodiakon, dem
ersten der Diakone, diese Aufgabe zu.
Aus welchem Grund spricht der frischgewählte
Papst sofort seinen ersten Segen Urbi et Orbi und stellt sich z.B. nicht erst einmal
vor?
Das ist eine alte Tradition. Man hat früher nach der Wahl keine Ansprache
gehalten. Das erste Mal war bei Johannes Paul II., übrigens geschah das nicht zur
Freude des damaligen Zeremonienmeisters, der dann immer wieder – zwar leise, aber
man hörte es immer – vernehmlich das kleine Wort „basta“, „es reicht“, flüsterte!
Johannes Paul II. hat das ignoriert und sagte sich wohl, das ist meine erste souveräne
Entscheidung, mich dann auch mit den Leuten zu unterhalten. Das ist eine Tradition,
die sich dann eingebürgert hat.
Was sind die Pflichten des neuen Papstes,
die ersten Schritte protokollarischer oder sonstiger Natur?
Der Papst ist
frei in allem, was er tut. Spezielle Pflichten gibt es nicht, höchstens von der Tradition
her; bestimmte Schritte, die gesetzt werden. Man muss immer bedenken, dass der Papst
in dem Augenblick, in dem er die Wahl annimmt, voll und ganz Papst ist. Im strengen
Sinn gibt es keine Amtseinführung, keinen Akt, mit dem er offiziell das Amt übernimmt.
In dem Augenblick, in dem er die Wahl annimmt, ist er der Papst. Alles was danach
geschieht an Liturgien und Zeremonien ist nur ausdeutend und nichts, was seinem Amt
hinzugefügt wird. In früheren Zeiten hatten wir die Krönung, auch das war ein rein
ausdeutendes Zeichen. Er bekam nichts mehr dazu, sondern man versuchte, mit bestimmten
Symbolen das Petrusamt stärker herauszustellen. Das war früher stark mit der Krönung
und mit der Besitzergreifung der eigentlichen Bischofskirche des Papstes, der Lateranbasilika,
ausgedrückt.
Zusammengefasst, was etwa die Audienzen betrifft: es ist seinem
Amtsverständnis und seinem Naturell überlassen, mit wem und wie und wann er das macht,
richtig?
Richtig, aber er wird sich an Traditionen halten. Es wird ja eine
Feier geben auf dem Petersplatz, in dem der Beginn des Pontifikates allen deutlich
gemacht wird, und es werden alle Staatsoberhäupter und Regierungsdelegationen und
Vertreter anderer Kirchen anwesend sein, und die werden auch in Audienzen empfangen
werden. Das diplomatische Korps wird empfangen werden, das sind auch Dinge, die von
der Natur der Sache her gemacht werden. Aber wie es im Einzelnen geschieht,
ist dem Papst überlassen.
Ein neuer Papst muss auch erst quasi seine Familie
gründen, er muss seine Wohnung im apostolischen Palast in Besitz nehmen. Wie geschieht
das?
Viele Institutionen sind schon da. Es gibt die Präfektur des päpstlichen
Hauses, das Amt für die päpstlichen Zeremonien. Aber er wird seinen persönlichen Hausstand
berufen müssen, seine Sekretäre benennen, die Leute, die ihm den Haushalt besorgen,
diese praktischen Dinge, wer kocht für den Heiligen Vater, wer erfüllt das Amt des
Kammerdieners. Das muss er entscheiden. Die Wohnung muss eingerichtet werden, das
haben wir ja auch erlebt beim letzten Mal, dass Benedikt noch einmal in seine alte
Wohnung gegangen ist und verfügt hat, was hineinkommt und was nicht – durchaus praktische
Sachen.
Hat der neue Papst irgendwelche Pflichten gegenüber seinem zurückgetretenen
Amtsvorgänger?
Nein. Auch da ist er völlig frei. Er wird natürlich Entscheidungen
treffen müssen. Wir haben das seit 700 Jahren nicht gehabt, auch weil es immer die
Angst gab, was mache ich mit einem zurückgetretenen Papst. Es hatte für die Nachfolger
immer sozusagen ein Gefahrenpotential. Wird sich der Nachfolger äußern? Und wird das
gegen den regierenden Papst verwendet werden können? Das sind berechtigte Sorgen,
und der neue Papst wird sehr schnell diese Sachen regeln müssen. Es kam etwa die Meldung,
dass der Schülerkreis des früheren Papstes ihn treffen möchte. Ich glaube, dass das
nicht möglich sein wird und man es nicht tun sollte. Denn jedes Wort, das dann aus
der Residenz des zurückgetretenen Papstes herausdringt, wird dann interpretiert werden.
Das betrifft sogar die direkte Umgebung des alten Papstes; ich denke auch an seinen
Bruder. Man wird das so regeln müssen, dass er sich gegenüber der Presse nicht äußern
kann und darf, weil immer die Gefahr besteht: „Ja aber der Altpapst hat gesagt…“.
Hier hat das letzte und entscheidende Wort der künftige Papst.