Dienstagnachmittag
ziehen 115 Kardinäle in die Sixtinische Kapelle im Vatikan ein, um den nächsten Papst
zu wählen. Wie sich ein Konklave gestaltet, ist in allen Schritten genau festgelegt.
Wir sprachen darüber mit dem Kirchenhistoriker und Vatikankenner Ulrich Nersinger.
Der Einzug ins Konklave: Wie gestaltet er sich?
Der Einzug ins
Konklave findet am Nachmittag statt. Am Vormittag die Messe, am Nachmittag der Einzug.
Man wird sich in der Cappella Paolina im Apostolischen Palast versammeln und von dort
in die Sixtina ziehen. Die Kardinäle schreiten unter Vorausgang des Kreuzes und des
päpstlichen Zeremonienmeisters und seiner Gehilfen sowie bestimmter Würdenträger der
Kirche. Der Gesang wird von der Sixtinischen Kapelle begleitet werden…
Also
vom päpstlichen Chor?
Ja, vom Chor der Sixtinischen Kappelle.
Gesungen
wird der alte Hymnus „Veni Creator Spiritus“, Komm Schöpfer Geist, kehr bei uns ein…
Ja.
Und wie beim letzten Konklave die Heiligenlitanei, also die Anrufung der Heiligen
um ihren Beistand bei dieser Wahlabstimmung.
Worin äußert sich der quasi
sakrale Charakter einer Papstwahl?
Man muss vorsichtig sein, wenn man vom
sakralen Charakter spricht. Ich entsinne mich an ein Interview, das der damalige Kardinal
Ratzinger August Everding gegeben hat, das ist schon länger her. Damals sprach ihn
Everding darauf an, auf die starke religiöse Bedeutung, den Beistand des Heiligen
Geistes. Dann hat ihn Kardinal Ratzinger, um es salopp zu sagen, etwas heruntergeholt
von dieser Argumentation und darauf hingewiesen, dass es immer ein religiöses Geschehen
ist, aber eben eingebettet in ein weltliches Erleben. Das ist glaube ich eine vernünftige
Interpretation. Natürlich ist alles, was dort abläuft, eingebettet ins Leben der Kirche
und man sollte nicht zu stark das ganze einen sakralen Charakter geben. Denn wenn
man sich die Konklaveveranstaltungen der Vergangenheit ansieht, gab es da durchaus
auch Streitigkeiten und weitaus schlimmere Sachen. Und das seit Beginn der Kirche,
ich denke im Neuen Testament an die Nachfolge des Apostels Judas. Oder denken wir
an das erste Apostelkonzil. Das waren zwar religiöse Handlungen, aber eben auch Handlungen,
die mit sehr menschlichen Problemen und Schwächen durchsetzt waren. Man soll den feierlichen
religiösen Charakter sehen, aber sich hüten, das in einen stark überhöhten Bereich
zu setzen. Ich habe in letzter Zeit auch manche Äußerungen von Kardinälen gehört,
die mir dann doch etwas zu fromm waren.
Was ist der religiöse und was der
weltliche Anteil der Papstwahl?
Das Konklave ist ganz eingebettet ins Leben
der Kirche. Es ist ein Geschehen, das sich in der Verantwortung auch vor Gott vollzieht,
wo auch der göttliche Beistand erbeten wird und vorhanden ist. Auch die Zusicherung
Christi, bis zum Ende aller Tage bei der Kirche zu sein, kommt hier immer wieder deutlich
zu Tage. Aber es ist eben ein Geschehen, das auf der Erde geschieht. Kirche hat ja
auch den Auftrag, in dieser Welt tätig zu sein und ist daher immer mit diesen weltlichen
und irdischen Dingen mitbehaftet. Dass es bei einem Konklave auch zu persönlichen
Bemühungen kommt, dass mancher die eigene Person etwas mehr in den Vordergrund stellt,
als das gewünscht ist, auch persönliche Interessen und Gruppierungen, halte ich für
ganz normal. Das muss aber dem religiösen Charakter nicht unbedingt widersprechen.
Man muss diese Komponenten zusammenführen und das eine nicht überbetonen.
Folgt
die Sitzordnung in der Sixtina der Rangfolge der Kardinäle?
Ja, die folgt
der Rangordnung: zunächst Kardinalbischöfe, dann Kardinalpriester und zuletzt Kardinaldiakone.
Man behält bei diesen Angelegenheiten, auch bei der Wahl werden wir sehen, dass die
Kardinäle nach ihrem Ordo – nach ihrer Ernennung oder der Einordnung in ihren Ordo
– zur Wahl schreiten.
Wie sehen die Wahlzettel aus?
Sie sind
heute relativ einfach gehalten, früher waren sie viel komplizierter. Es ist ein handlicher
kleiner Zettel. In lateinischer Sprache steht darauf: Ich wähle zum Papst, und darunter
trägt der wählende Kardinal seinen Kandidaten ein. Er soll das mit verstellter, aber
lesbarer Schrift tun. Dann wird der Zettel gefaltet. Früher gab es ganz komplizierte
Faltungen, und ich kann mich auch erinnern, dass man eine Art Codewort auf dem Wahlzettel
anbringen musste, sodass man im Notfall, wenn es Zweifel gab, erkennen konnte, wer
da abgestimmt hat. Das hat man stark vereinfacht.
Die einzige Verbindung
zur Außenwelt der Kardinäle während des Konklaves ist ein Ofenrohr. Es sind aber zwei
Öfen, nicht bloß einer…
Mit den Öfen haben wir bei den letzten Konklaveveranstaltungen
immer Probleme gehabt. Man hat schon 2005 den Ofen modifiziert. Viele haben sich gewundert,
dass da auf einmal zwei Ofenrohrer waren. Auch die Farbe des Rauches war ein Problem,
weil man nicht sofort erkennen konnte, ob es weißer oder schwarzer Rauch war. 2005
hat man chemische Zusätze beigesetzt, aber auch das hat nicht ganz funktioniert. Man
hat damals verfügt, dass als weiteres sicheres Zeichen für die erfolgte Wahl die Glocken
von Sankt Peter läuten sollten. Man wird auf den Ofen nicht verzichten, weil es ein
sehr eindrucksvolles Zeichen ist, aber man wird vermutlich wieder zusätzlich zu den
Glocken greifen.
Wer bleibt nach dem „Extra Omnes“ neben den Kardinälen
noch in der Sixtina?
Auch dieses „Extra Omnes“ ist uns sehr vertraut aus
Filmen. Ich denke an „In den Schuhen des Fischers“ mit Anthony Quinn. Aber man hat
natürlich eine kleine logistische Schwierigkeit. Man wird auch diesmal, wie 2005,
diese Worte sprechen. Dann werden die Türen verschlossen, die Kameras werden sich
aus den Bereichen entfernen, aber so ganz zu ist es noch nicht. Denn in der Sixtina
verbleiben dann der päpstliche Zeremonienmeister mit einem Ordensmann – es kann auch
ein Kardinal sein, der nicht mehr wahlberechtigt ist -, der den Papstwählern eine
Ansprache hält (Anm.: inzwischen wurde bekannt, dass die Betrachtung diesmal der 87-jährige
Augustiner-Kardinal Prosper Grech halten wird). In gewisser Weise eine kleine Predigt,
eine Ermahnung, was sie im spirituellen nun beachten sollen. Erst dann gehen der Zeremonienmeister
und derjenige, der die Ansprache gehalten hat, wenn er über 80 ist, hinaus, und erst
dann werden die Türen der Sixtina definitiv geschlossen. Das heißt in der Sixtina
befinden sich dann wirklich nur noch die wahlberechtigten Kardinäle und niemand anders.
Und alle Aufgaben, die dann in der Kapelle anfallen, werden von den Kardinälen selber
übernommen. Das geht bis hin zum Verbrennen der Stimmzettel, also auch die Bedienung
des Ofens muss dann von einem der Kardinäle vorgenommen werden.
Nun gibt
es bestimmte Kategorien von Personen, die von Amts wegen vor den Türen der Sixtina
sitzen und warten, bis der neue Papst gewählt ist. Wer sind diese Personen, die da
warten, und wie muss man sich das vorstellen?
Es warten natürlich vor allem
die Personen, die nötig sind, um den Akt der Annahme der Wahl als Notare zu besiegeln.
Wenn es zu einem positiven Wahlausgang gekommen ist und der Kandidat die Wahl angenommen
hat, wird der rangjüngste der Kardinäle zur Tür der Sixtina schreiten, die öffnen
und den päpstlichen Zeremonienmeister mit einem seiner Gehilfen hineinbitten, um dann
den Akt dieser Wahlannahme notariell zu beglaubigen. Für diesen Fall haben die Zeremoniare
des Papstes die Vollmachten der Apostolischen Protonotare, sie werden diesen Wahlakt
dann beurkunden und auch dabei sein, wenn der Papst sich seinen Namen gibt. Dann ist
die Möglichkeit gegeben, das entscheidet aber der Papst selbst, dass diejenigen Leute
herantreten, die für die kommenden Ereignisse wichtig sind. Es wird der Präfekt des
päpstlichen Hauses zugelassen, der Substitut des Staatssekretariates, also auch alle
Leute, die jetzt nach der Wahl Funktionen wahrnehmen müssen. Der Substitut wird die
ausländischen Regierungen informieren müssen, der Präfekt des päpstlichen Hauses wird
die nun anstehenden päpstlichen Zeremonien vorbereiten müssen. Also all die Leute,
die sofort herangerufen werden, sind die, die mit dem Pontifikat schon vertraut werden
müssen.
Wie sieht ein Stimmgang aus? Ist das kompliziert?
Das
ist relativ einfach. Etwas komplizierter und sehr aufwändig ist eher die Stimmauszählung.
Die Stimmabgabe wird sein, jeder Kardinal wird den Stimmzettel ausfüllen und nach
dem jeweiligen Rang zum Altar treten, wird den kleinen Eid schwören und dann den Wahlzettel,
den er dabei in die Höhe hält, in die Urne geben. Nach diesem Vorgang beginnt die
Auszählung der Stimmzettel, die etwas aufwändig betrieben wird.
… denn
das wird von drei Kardinälen nacheinander überprüft. Was wird bei einem Stimmgang
laut gesprochen? Was ist in der Sixtina zu hören? Überwiegend Latein, eigentlich?
Die
Eidesformel ist: Ich rufe Christus, der mein Richter sein wird, zum Zeugen an, dass
ich den gewählt habe, von dem ich glaube, dass er nach Gottes willen gewählt werden
sollte.
Der nächste Papst wird mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden.
Wenn der Papst die Wahl angenommen hat, legt er sich im so genannten Raum der Tränen
die päpstlichen Gewänder an. Welche? Wer hilft ihm dabei?
Wir haben drei
verschiedene Gewänder, das hat sich eingebürgert seit mehreren Jahrzehnten, dass ein
berühmter Papstschneider in Rom dem Konklave eine Garnitur liefert in drei verschiedenen
Größen, wobei man immer hofft, dass eine davon dem Papst steht. Das führt manchmal
zu sehr kuriosen Szenen, so zum Beispiel, dass man einem Papst eine Soutane anziehen
musste, die man dann hinten öffnen musste und der Papst nur notdürftig bekleidet auf
der Loggia des Petersdomes stand. Bei der Ankleide werden ihm die Leute helfen, die
dafür vorgesehen sind. Bei einigen Konklaven stand auch der Papstschneider vor den
Türen des Konklaves. Das machen aber auch Leute, die zum päpstlichen Haushalt gehören.
Aiutante di camera, das ist der uns nun vertraute Kammerdiener des Papstes. Das hängt
aber vom jeweiligen Konklave ab, da gibt es keine festen Vorschriften.
Das
päpstliche Gewand ist einfach die weiße Soutane mit dem Schultermantel und die roten
Schuhe, richtig?
Man könnte noch einige andere Accessoires nennen. … Die
eigentliche päpstliche Farbe ist das Rot, das Rot der römischen Caesaren, das nach
der konstantinischen Wende auf die Päpste übergegangen ist. Die Päpste trugen einen
roten Mantel, den roten Kaisermantel, aus dem hat sich auch die rote Gewandung der
Päpste herauskristallisiert, und der Papst trägt auch heute noch eine Mozetta (Schultermantel,
Anm.) von roter Farbe. Auch die Farbe der Kardinäle kommt daher. Die Farbe der Kardinäle
ist eigentlich die ursprüngliche Farbe der Päpste. Die Kardinäle haben ja seit dem
Mittelalter den Papst in vielen Angelegenheiten vertreten, auch als Legaten. Um die
Bedeutung der Legaten zu unterstreichen, nahmen sie Insignien und die farbliche Ausprägung
der Gewandung an. Das Rot der Kardinäle kommt von der roten Gewandung der Päpste,
die ihrerseits von der roten Gewandung der Kaiser kam. Heute sehen wir beim Papst
die rote Gewandung weniger, nur in der Mozetta und in den roten Schuhen. Auch diese
roten Schuhe rühren von der kaiserlichen Gewandung her.
Was hat es mit
der Namenswahl der Päpste auf sich?
Die Namenswahl hängt mit einem ganz
einfachen Umstand zusammen: Dass in der Vergangenheit vereinzelt Päpste gewählt wurden,
die einen eindeutig heidnischen Namen trugen. Einer hieß Mercurius, und es schien
nicht angebracht, ein Papstname zu sein. Seither hat sich die Tradition herausgebildet,
dass die Päpste generell ihre Namen geändert haben. Wir haben nur zwei Ausnahmen,
beide aus dem 16. Jahrhundert: der deutsch-niederländische Papst Hadrian und Papst
Marcellus. Alle anderen nachfolgenden Päpste haben ihre Namen geändert.
Gibt
es eine Liste akzeptabler Namen?
Nein, das liegt frei in der Wahl des Papstes.
1978 gab es eine Überraschung, weil Albino Luciani erstmals einen Doppelnamen wählte,
eben Johannes Paul I. Da sind die Päpste frei, er könnte also auch seinen Taufnamen
beibehalten.
Papstwähler sind die Kardinäle, und zwar praktisch seit dem
Auftauchen des Kardinalamtes im 11. Jahrhundert. Gab es im eigentlich jemals Überlegungen,
zB nach dem II. Vatikanischen Konzil, den Modus der Papstwahl auszuweiten, etwa auch
Laien miteinzubeziehen? Gab es solche Überlegungen?
Sehr früh gab es das.
Die ersten Papstwahlen waren nicht begrenzt auf den Klerus. Es gab bestimmte Änderungen,
dass auch das Volk zustimmen musste, dass andere weltliche Einrichtungen ihre Möglichkeit
hatten, ich denke in der Zeit vor dem Jahr 1000 hat der römische Adel sehr stark mitgemischt.
Man muss immer bedenken, dass die Form der Wahl des Papstes nicht göttlichen Rechtes
ist. Jeder Papst könnte festlegen, dass hier ein anderer Wahlmodus geschieht oder
das Gremium, das wählt, ein anderes ist. Theoretisch wäre auch möglich, dass ein Papst
seinen Nachfolger bestimmt. Das ist voll und ganz in die Autorität des Papstes gelegt.