„Extra Omnes“ – am
Dienstag ist es wieder so weit. Der päpstliche Zeremonienmeister ruft gegen halb fünf
die berühmten Worte: Alle raus. Alle nicht wahlberechtigten verlassen die Sixtinische
Kapelle und die wohl geheimnisvollste Wahl – das Konklave – beginnt. Alles wird
verriegelt, niemand darf mit den 115 Kardinälen sprechen und niemand darf erfahren,
was in der Sixtinischen Kapelle geschieht. Das Konklave beginnt. Jeden Tag werden
die Kardinäle frühmorgens von der Casa Santa Marta in die Kapelle Paolina ziehen und
vor den Wahlgängen die Heilige Messe feiern. Eine Herausforderung für die Schweizer
Garde und die Gendamerie, erklärt uns Vatikanexperte Ulrich Nersinger.
„Wer
Rom kennt, weiß, dass man von vielen Bereichen durchaus einen Blick auf diese Passage
hat. Man braucht nur in einen der nächsten großen Wohnhäuser zu gehen und könnte dort
vom Dach schauen. Man könnte vom Gianicolo hineinschauen. Also es gibt viele Möglichkeiten.“
Der
Vatikan bereitet alles vor, damit die geheimnisvollste Wahl auch wirklich geheimnisvoll
bleibt. Es gibt strenge Vorschriften, die nicht nur die Kardinäle betreffen.
„Auch
der Bereich der Sixtina wird von den Technikern, früher waren es die Techniker von
Radio Vatikan, heute sind es die Techniker der vatikanischen Gendarmerie, genaustens
untersucht - nach Abhöreinrichtungen und es werden auch Störsender eingebaut. Es ist
eher in den Bereichen dann außerhalb des eigentlichen Konklavebereichs, das da dann
natürlich auch. Da konnte man zumindest 2005 nicht alles verhindern.“
Ohne
Kontakt nach außen
Verhindern kann man jedoch, dass die Kardinäle Kontakt
nach außen haben. In der Casa Santa Marta ist alles verboten, was der Mensch aus dem
21. Jahrhundert für den Alltag so braucht. Telefone, Handys, Zeitungen, Internet –
alles verboten. Aber in der Sixtina hätten die Kardinäle sowieso keinen Empfang –
dank der Störsender. Somit bleibt ihnen nur der Austausch miteinander, solange
sie sich nicht absprechen.
„Die Päpste haben (zwar also) auch Strafen und
immer eindringlich drauf hingewiesen, dass es unerlaubt ist. Aber das ist halt auch
eine menschliche Sache. Und es ist dann natürlich auch eine Gewichtung, was gesagt
wird und wie es gesagt wird. Manche Kardinäle sind halt einfach nur Plaudertaschen,
die etwas erzählen wollen, auch aus dem Überschwang ihres Erlebnisses heraus. Aber
andere werden es auch ganz bewusst benutzen, um gewissen Intentionen dabei zu haben.“
Mitarbeiter
und Hilfen
Doch trotz Kontaktverbot sind die Kardinäle nicht allein
auf sich gestellt. In der Casa Santa Marta, in die sie am Dienstag Morgen einziehen,
werden noch eine Schar von Helfern sein, die den Kardinälen den Alltag erleichtern.
Weiß Ulrich Nersinger:
„Es kommt natürlich das Personal hinzu, das sich
um die Kardinäle kümmern muss. Das reicht von der Essenszubereitung bis hin zu der
Pflege jeder Räume, auch das Sicherheitspersonal. Also es kommt doch eine kleine Schar
von Leuten hinzu, die sich dann auch um diese Kardinäle kümmern müssen. Es ist Gott
sein Dank nicht so wie früher. Früher hatten die Kardinäle das Recht eine Konklavisten,
so jemanden ein Mann ihres Vertrauens mit in das Konklave zu nehmen, das ist heute
abgeschafft.“
Das Konklave beginnt offiziell mit der Eröffnungsmesse. Um
10 Uhr am Dienstag feiern die Kardinäle die Messe ‚pro eligendo romano pontifice’,
öffentlich im Petersdom. Mit dieser wird der liturgische Charakter der Prozedur noch
einmal verdeutlich. Trotz des demokratischen Wahlverfahrens, ist das Konklave keine
politische Veranstaltung. Den geistlichen Charakter dieser Tage zeigt auch die
Prozession zur Sixtina. Am Nachmittag gegen halb fünf versammeln sich die Kardinäle
in der Kapelle Paolina und begeben sich gemeinsam zum Ort des Geschehens. Die Gendarmerie
und die Schweizergarde sorgen währenddessen dafür, dass auch während des Weges zur
Sixtinischen Kapelle niemand Kontakt aufnehmen kann mit den Wählern. Wie die feierliche
Prozession bei einem Konklave ausschaut, weiß unser Vatikanexperte:
„Das
heißt, es wird ihnen das Kreuz voran getragen. Die Schola der sixtinischen Kappelle
wird die Gesänge vortragen. Und die Kardinäle sind schon gekleidet in der festlichen
Gewandung. Das heißt sie tragen ihre rote Kleidung, also liturgische Kleidung, die
für das Chorgebet vorgesehen ist. Den roten Talar, ein weißes Chorhemd, die Mozetta
– also ein rotes Schultermäntelchen – dann das Scheitelkäppchen und das rote Birett
und dann natürlich ihren Ring und das Brustkreuz. Und werden so in die Sixtina einziehen.“
„Alle
heraus!“
Direkt nach dem Einzug und dem Eid zur Geheimhaltung spricht
der Zeremonienmeister Guido Marini dann die berühmten Worte: Extra omnes – Alle raus!
Alle Nichtkardinäle verlassen die Kapelle. Von nun an müssen die Kardinäle alle Dienste
selber übernehmen. Das Schließen der Türe oder den Ofen bedienen. Meistens übernehmen
dies die Rangjüngsten unter den 115, darunter auch Kardinal Woelki aus Berlin. Am
ersten Tag wird es nur einen Wahlgang geben, an jedem anderen vier. Jeder Kardinal
schreibt bei den Wahlgängen seinen Kandidaten auf einen besonderen Wahlzettel:
„Das
sind ganz einfach Zettel, die also dann auch gefaltet werden müssen und der wichtigste
Satz der dann drauf steht: „Ich wähle zum Papst.“ „Eligo in Summum Pontificem“ und
dann wird der Name des Kandidaten eingetragen. Das geschieht heute in einer relativ
einfachen Form. Früher war das sehr kompliziert. Es gab bestimmte Felder. Es gab bestimmte
Arten, diesen Wahlzettel zu knicken, wo man dann auch mit verstellter Schrift eine
Pseudonym für seinen eigenen Namen angeben musste, weil man also doch eine sehr große
Angst hatte, das manipuliert worden wäre. Oder das man irgendwie Tricks verwendete,
um die einzelnen Wahlzettel zu mischen. Und das hat man heute weggelassen. Man hat
den ganz komplizierten Faltmechanismus und das Unterschreiben mit einem Pseudonym
hat man weggelassen und man hat gesagt: Wir brauchen eine Klarheit. Wir nehmen den
einfachen Wahlzettel mit der Schrift „ich wähle zum Papst“ und den Namen. Dann wird
der Wahlzettel gefaltet und er wird dann in eine Wahlurne gegeben. Jeder Kardinal
einzeln auch unter Anrufung des Beistandes Gottes.“
Alles ist genau festgelegt.
Der Wahlzettel, die Faltweise und der Weg zur Urne: Mit erhobener Hand schreitet
ein jeder nach vorne und wirft seinen Wahlzettel in eine Urne mit den Worten: „Ich
rufe Christus, der mein Richter sein wird, zum Zeugen an, dass ich den gewählt habe,
von dem ich glaube, dass er nach Gottes Willen gewählt werden soll.“ Die Wahlzettel
von kranken Kardinälen werden von ausgelosten Wahlhelfern sogenannten Infirmarii in
einer extra Urne aus dem Gästehaus abgeholt.
Ein festes Zeremoniell
Nachdem
jeder seine Stimme abgegeben hat, folgt wieder ein festes Zeremoniell. Die Zettel
werden gemischt, gezählt, einzeln entfaltet, von drei Wahlhelfern nacheinander eingesehen
und vom dritten laut vorgelesen. Dann werden die Zettel genau bei dem Wort eligo –
ich wähle – gelocht und auf einen Faden gezogen. Läuft irgendetwas nicht nach dem
vorgegebenen Ritual, wird die Wahl ungültig. Der Name, der auf 77 Zetteln zu lesen
ist, hat die 2/3 Mehrheit unter sich versammelt und ist gewählter Bischof von Rom.
Papst Benedikt XVI. hat in seinem Motu proprio von 2007 die Wahlordnung von seinem
Vorgänger noch einmal geändert:
„Er hat eigentlich nur einen Punkt behandelt.
Nach über 30 Wahlgängen, bestand die Möglichkeit, dass man auf eine 2/3 Mehrheit verzichten
konnte. Da hat er gesagt: Nein, das ist nicht gut, das revidiere ich und ich bestimme
wieder, dass in allen Fällen, die es geben kann, also auch, wenn sich die Kardinäle
auf etwas anderes oder gewisse Änderungen einigen, es muss immer eine 2/3 Mehrheit
vorhanden sein. Weil man doch, glaube ich, eine größtmögliche Zustimmung haben möchte.
Und wenn man jetzt nur die absolute Mehrheit hat oder ob man eine 2/3 Mehrheit
hat, das ist doch eine andere Gewichtung. Auch wenn die Kardinäle dann mit dem neuen
Papst erscheinen, ist es doch besser für den Zusammenhalt der Kirche, wenn man sagen
kann, wir haben eine überwältigende Mehrheit gefunden.“
Grundsätzlich können
sich die Kardinäle mehrheitlich für jeden katholischen, männlichen und getauften
Christen entscheiden. De facto hat sich aber durchgesetzt, dass es ein Kardinal wird.
Das letzte Mal wurde im Spätmittelalter ein Papst gewählt, der nicht zum Kardinalskollegium
gehörte. Haben die Kardinäle eine Mehrheit für einen Kandidaten gefunden, muss
der Leiter des Konklaves ihn fragen, ob er die Wahl auch annimmt.
„Mit der
Annahme ist der Papst von diesem Zeitpunkt an in alle Rechte eingesetzt. Also es gibt
eigentlich keine eigentlich Einführungszeremonie. Das war auch früher so, die Krönung
war eigentlich nur eine ausdeutende Zeremonie. Mit der Annahme der Wahl ist der Betreffende
mit allen Rechten Papst. Also das ist eine richtige kleine Inszenierung, die dann
geschieht.“