Ägypten: „Bei den Wahlen weiß man das Ergebnis schon im voraus“
In Ägypten ist die
politische Situation nach wie vor ungewiss. Der neue US-Außenminister John Kerry führt
an diesem Sonntag zum ersten Mal politische Gespräche in Kairo. Aber die christlichen
Kirchen sind weiterhin nicht bereit, an einem von Präsident Mohamed Mursi angebotenen
Nationalen Dialog teilzunehmen. Kyrillos William ist der koptisch-katholische Bischof
von Assiut, unsere Kollegin Christine Seuss hat mit ihm gesprochen.
„Sie
haben bemerkt, dass der Nationale Dialog nichts bringt. Mursi macht, was er will,
und will das durch diesen Dialog legitimieren. Das bringt überhaupt nichts, denn sie
reden und reden, und Mursi macht dann doch, was er will!“
Das Oberste Verfassungsgericht
in Kairo hat an diesem Sonntag Einsprüche gegen die neue Verfassung zurückgewiesen.
Der Text war von einer mehrheitlich islamistischen Kommission verfasst und im Dezember
per Volksabstimmung durchgesetzt worden; christliche Kopten monieren, die Verfassung
sei nicht repräsentativ für alle Ägypter. Viele Oppositionelle wollen auch die kommenden
Parlamentswahlen boykottieren. Zwar war der Wahlgang auf Drängen der Christen von
Präsident Mursi verschoben worden, damit er nicht in die koptischen Kar- und Ostertage
fällt. Doch Bischof Kyrillos William sagt:
„Trotzdem bleibt über dieser
Wahl ein Fragezeichen, weil viele (auch Nichtchristen) zum gegenwärtigen Zeitpunkt
keinen Sinn in Wahlen sehen. Wer kann uns die Transparenz der Wahlen garantieren,
wenn alle entscheidenden Leute zur Muslimbruderschaft gehören? Dann weiß man ja auch
das Ergebnis schon im voraus.“
Sehr optimistisch ist der koptisch-katholische
Bischof nicht, was die nächsten Monate in Ägypten betrifft. „Wir beten und hoffen,
aber Mursi handelt nur im Interesse der geistlichen Führung der Muslimbruderschaft
und nicht im Interesse von ganz Ägypten.“