Präses Schneider über Benedikt XVI.: „Jedes kirchliche Amt braucht ein menschliches
Maß“
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, hat
die Gelehrsamkeit und Klarheit des scheidenden Papstes gewürdigt. Im Interview mit
dem Kölner Domradio blickt er auch auf seinen Abschied als Präses. Vor knapp acht
Jahren, am 9. April, hat er die Petrusnachfolge übernommen. ‚Herr, was möchtest Du
von mir‘, so habe er damals als Papst gefragt, verriet Benedikt bei seiner letzten
Generalaudienz gestern. Was wird dieser Papst uns bringen – das haben die Christen
alle gefragt, auch die evangelischen Christen. Als Benedikt XVI. im September 2011
Deutschland besuchte, gab es Antworten auf diese Fragen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen
Kirche in Deutschland Nikolaus Schneider hat den Papst in Erfurt damals begrüßt.
„Er
ist der erste Papst, der eine Lutherstätte besucht hat, der sich darauf einließ. Nicht
dass wir zu ihm in den Dom kommen sollten, sondern er ließ sich von uns einladen,
um in das Augustinerkloster nach Erfurt zu kommen, damals die Wohn- und Wirkungsstätte
Martin Luthers, heute ein Haus der verschiedenen Dienste der evangelischen Kirche.
Das war ein ganz starkes Zeichen. Ferner hat der Papst in der Begegnung der beiden
Delegationen die Texte dessen, was da gesprochen wurde, auch veröffentlich; also das
fand nicht nur geheim oder hinter verschlossenen Türen statt. Es hatte zwar nicht
die öffentliche Wirksamkeit wie das Mittel des Gottesdienstes, aber in dieser Begegnung
hat der Papst seine Wertschätzung Martin Luthers zum Ausdruck gebracht. Er hat gesagt,
wie tief ihn die Frage Martin Luthers nach dem gnädigen Gott bewegt und das diese
Frage nach Gott für ihn heute auch das entscheidende sei. Und er hat uns als Kirche
auf Augenhöhe angesprochen, also das war eine große Wertschätzung. Und ich kann nur
sagen, sein persönliches Auftreten war so zurückhaltend, freundlich, zugewandt, geradezu
demütig, dass ich nur sagen kann, da ist mir ein Bruder in Christus wirklich auf Augenhöhe
begegnet. Das war eine sehr schöne und wohltuende Erfahrung. Enttäuschend war dann,
was im Gottesdienst gesagt wurde und was durch die Fernsehübertragung auch eine solche
Wucht bekam, dass er von Geschenken sprach, die er nicht mitgebracht hatte, dass er
davon sprach, dass wir Kirchen nicht miteinander umgehen könnten wie politische Parteien.
Und das ist eine Einordnung der Kirche der Reformation, in der wir uns nun wirklich
nicht wiederfinden und die für viele von uns brüskierend, ja geradezu verletzend war.“
Papst
Benedikt hat von einer sehr seltenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und ist von seinem
Amt als Pontifex zurückgetreten. Die katholische Kirche kann also durchaus neue Wege
beschreiten – was auch für die evangelische Kirche eine Bedeutung haben könnte. Schneider:
„Es
macht deutlich, dass jedes kirchliche Amt ein menschliches Maß braucht. Dass wir nicht
Christus sind, aber auch nicht Christus sein brauchen, aber auch nicht Christus sein
wollen. Sondern dass alle Ämter im Dienste Christi stehen, und gerade dadurch dass
wir uns auf das menschliche Maß beschränken, wird die Strahlkraft Christi, für den
wir ja Zeuginnen und Zeugen sein wollen, größere und stärker. Und dass er dieses menschliche
Maß auch so betont hat, das ist ein großer Dienst für uns alle, und wir finden uns
in einem solchen Vorgehen, unbeschadet all der Unterschiede im Verständnis dahinter,
durchaus wieder.“