Papst Benedikt ist Vordenker in der Wirtschaftskrise
Auch eine Woche nach
der Rücktrittsankündigung des Papstes nehmen die Würdigungen nicht ab, vermehrt beziehen
sie sich aber auf die Inhalte des Pontifikates. So habe Benedikt XVI. eine sehr moderne
Sichtweise auf alte Probleme entwickelt und die Armut in der Weltbevölkerung zu einem
Thema für alle gemacht. Das sagt Daniel Hale, Aktivist für die katholische Organisation
„Progressio“, die sich vor allem auf dem Gebiet des Umweltschutzes international einen
Namen gemacht hat.
„Er nimmt Schlüsselthemen aus der katholischen Soziallehre,
wie es sie schon gab, und wendet sie auf aktuelle Probleme an. Nehmen wir die Umwelt:
Dieses Thema gehört vielleicht zu den weniger entwickelten Bereichen der Soziallehre.
Der Papst, den einige deswegen den ‚grünen Papst’ nennen, sagt dazu, dass die Umwelt
mehr ist als das Rohmaterial für unser Vergnügen, er entwickelt zum Umweltschutz eine
ganze Schöpfungstheologie, die Katholiken anspricht.“
Besonders in seiner
Sozialenzyklika „Caritas in veritate“ fände man immer wieder Motivation und Anregung
für den Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung, so Hale.
„In seiner Friedensbotschaft
2010, also kurz nach der Veröffentlichung von „Caritas in veritate“, sagt er klar,
dass der Schutz der Umwelt Einsatz für den Frieden ist. Der Schutz der Umwelt kenne
keine Grenzen, so der Papst, was in unserer sehr auf den Einzelnen und auf Nationen
und Unternehmen ausgerichteten Welt eine sehr interessante Position ist. Er ist sich
der gegenseitigen Abhängigkeiten und der Verflechtungen in der Welt sehr bewusst.
Seine Art zu schreiben hat eine Art, alle zum selber Handeln zu motivieren. Das ist
seine Weise der Theologie: Die Befähigung und Motivation von Menschen. Wir sind alles
moralisch Handelnde, aber wir sind das nicht alleine, sondern immer in Gemeinschaften.
Wir haben die Verantwortung für die Zukunft, alle Katholiken, überall.“
Sein
Pontifikat sei in eine Zeit gefallen, in der die gesamte Welt von einer wirtschaftlichen
wie auch moralischen Krise heimgesucht werde. Doch der Papst habe auch unter diesen
widrigen Umständen eine beeindruckende moralische Führungsfähigkeit bewiesen, sei
es, was die Armutsbekämpfung angehe, aber auch die Bekämpfung des immer größeren Ungleichgewichts
zwischen Armen und Reichen auf der Welt:
„Ich denke, dass in Caritas in
Veritate eines der Schlüsselthemen des Papstes ist, dass die Wirtschaft für alle da
sein muss. Und wir kennen das alle aus der katholischen Soziallehre, wo es immer wieder
wiederholt wird, dass die Wirtschaft der gesamten Menschheit dienen muss und die Menschheit
wirtschaftlich orientiert ist. Ich denke, sein Ansatz zur Wirtschaftskrise ist ein
sehr interessanter, er sieht sie im Zusammenhang mit einer größeren moralischen Schwäche
und er sieht alle wirtschaftlichen Entscheidungen und Prozesse vor einem moralischen
Hintergrund. Und das ist ein anderer Blickwinkel als die übliche Sicht auf Tauschprozesse
und Prozesse im tägliche Wirtschaftstreiben. Damit wird Wirtschaft ja eigentlich von
den moralischen Überlegungen abgekoppelt. Und ich denke, sein Blick ist sehr interessant,
weil er damit jedem von uns eine Schlüsselrolle innerhalb der wirtschaftlichen Prozesse
zuweist, damit sie auch für die armen Menschen in der Welt funktionieren.“
Die
Enzyklika Caritas in Veritate werde, so der Aktivist Hale, auch in der Wirtschaftswelt
hoch angesehen. So habe beispielsweise Lord Griffith, ein ehemaliger GoldmannSachs-Berater,
diese ausdrücklich gewürdigt, indem er gesagt habe, Caritas in Veritate wäre „ohne
Zweifel die bislang ausformulierteste und verständlichste Antwort auf die Wirtschaftskrise
gewesen“.
„Ich glaube mich auch zu erinnern, dass die Enzyklika etwas später
als geplant erschienen war, eben wegen der Wirtschaftskrise, so findet sich auch eine
deutliche schnelle Reaktion, eine zusätzliche Ausarbeitung, die sich mit der Krise
beschäftigt. Eines der Dinge, die mich darin am meisten beeindruckt haben, ist dass
er sagt, keine Entwicklung ist möglich ohne die richtigen Männer und Frauen, deren
Gewissen Garant für das Allgemeinwohl ist. Das ist diese durchgehende Idee, dass jeder
von uns seine Rolle hat und wenn die Wirtschaft nicht funktioniert und Menschen arm
sind, dann ist das unser aller Problem und wir alle haben die Pflicht, etwas dagegen
zu tun. Ich würde sagen, er hatte einen unglaublich wichtigen Job in einer Zeit einer
profunden wirtschaftlichen Krise und nun hat er einen Schritt zurück getan und hat
die Krise als moralisches Problem vorgestellt – und indem er das getan hat, hat er
alle eingeladen, ein Teil der Lösung zu sein.“