Kardinal Ravasi: Papst mahnt Kirche zu „Selbstreinigung“
Ein kurzer Abschnitt
aus der Aschermittwochspredigt des Papstes hat in den Medien große Beachtung gefunden.
In seiner letzten Messfeier in St. Peter hatte der scheidende Papst Benedikt daran
erinnert, „welche Bedeutung das christliche Glaubens- und Lebenszeugnis eines jeden
von uns und unserer Gemeinschaften für das Gesicht der Kirche hat und wie dieses bisweilen
verunstaltet wird“. Wörtlich fuhr er fort: „Ich denke besonders an die Vergehen gegen
die Einheit der Kirche, an die Spaltungen im Leib der Kirche.“ Und er rief dazu auf,
„die Fastenzeit in einer intensiveren und sichtbareren Gemeinschaft mit der Kirche
zu leben, indem man Individualismen und Rivalitäten überwindet“. Der Präsident des
Päpstlichen Kulturrates, Kardinal Gianfranco Ravasi, sagt im Gespräch mit Radio Vatikan
zu diesen Papstworten:
„Sicher haben sie in diesem Zusammenhang eine besondere
Bedeutung, weil die ganze Gesellschaft Leiden und Schwierigkeiten erlebt. Die Worte
des Papstes sind mit Sicherheit eine große Mahnung, die vor allem von der kirchlichen
Gemeinschaft gehört werden muss. Sie gehören gewissermaßen auch ins Herz der fastenzeitlichen
Botschaft – darum hätten sie auch in jeder Fastenzeit in diesen Jahren ausgesprochen
werden können. Sie gehören nämlich zu der grundlegenden Entscheidung zu einer Selbstreinigung,
die die Gemeinschaft der Kirche durchführen muss.“
Kardinal Ravasi gehörte
am Montag zu den Kardinälen, die die Rücktritts-Ankündigung von Benedikt XVI. im Vatikanpalast
miterlebten. Natürlich sei er überrascht gewesen, sagt Ravasi:
„Ich muss
aber sagen, dass ich dann vor allem Bewunderung gespürt habe, denn der Papst hat die
Größe der petrinischen Mission gezeigt, gerade indem er erklärte, dass seine physische
Gebrechlichkeit diesen Dienst härter mache. Ich glaube wirklich, man kann ihn nur
bewundern, denn er hat in gewisser Hinsicht einen theologischen Akt vollzogen: Er
hat auf eindringliche Weise gezeigt, was der Petrusdienst wirklich ist – genau in
dem Moment, in dem er sich für physisch außerstande erklärte, ihn noch fortsetzen
zu können.“
„Unter deinen Schutz und Schirm flüchten wir, oh heilige Gottesmutter“:
Diesen Text twitterte Kardinal Ravasi auf Lateinisch kurz nach der Rücktritts-Ankündigung
Benedikts. Die bislang letzte Nachricht auf seinem Zwitscher-Account, vom 14. Februar,
stammt hingegen aus Psalm 71 (Gott, die Zuflucht bis ins Alter): „Verlass mich nicht,
wenn meine Kräfte schwinden“.
„Der Papst zeigt wirklich, dass das Dienstamt
– lateinisch ministerium – wirklich ein Dienstamt ist. Dieses Wort ist von der politischen
Tradition ins Negative gekehrt worden, dabei trägt es in seinem Herzen das ,minus‘.
Das heißt: im Dienst von etwas stehen, weniger sein, nicht beherrschend sein. Ein
Kaiser kann die Macht in seiner Hand behalten und als das ihm ausschließlich Zustehende
ausüben. Wenn sie hingegen ein Dienstamt ist, dann muss man auch in der Lage sein,
,minus‘, also weniger zu werden, sich also zu entziehen, um dem Platz zu lassen, der
es in umfänglicherer Weise auszuüben versteht.“