Syrien: „Das Blut der Opfer klebt unter unseren Sohlen”
Während sich die Vereinten
Nationen bemühen, mit Oppositionellen und Vertretern des Regimes einen Friedensplan
für Syrien zu erstellen, hat die Fastenzeit im Land selbst mit erneuten Blutströmen
begonnen. Allein in den vergangenen 24 Stunden seien nach Informationen der Organisation
Syrischer Menschenrechtsbeobachter weit über 200 Menschen ums Leben gekommen. Die
Rebellen haben unterdessen nach heftigen Kämpfen eine strategische Militärbasis in
der Nähe des Flughafens von Aleppo eingenommen. Während das Militär weiter stete
Desertationen verzeichnet, ist die zweite Lieferung von Hilfsgütern durch die UNO
sowie den Roten Halbmond für die Vertriebenen im Nordosten des Landes, der sich unter
der Kontrolle der Rebellen befindet, angekommen. Umso dramatischer der Appell des
apostolischen Nuntius in Syrien, Erzbischof Mario Zenari, der sich des Eindrucks nicht
erwehren kann, dass die internationale Gemeinschaft bei ihrem Einsatz hinter ihren
Möglichkeiten zurückbleibt: „Wir beginnen hier leider die dritte Fastenzeit
in Folge in diesem Klima von schrecklichem Leiden der gesamten syrischen Bevölkerung.
Unter einem bestimmten Gesichtspunkt hat man den Eindruck, dass auch die internationale
Gemeinschaft, wie erst kürzlich der internationale Vermittler Brahimi sagte, daneben
steht und zusieht, wie Syrien zerstört wird, ohne zu wissen, was zu machen ist. Die
Zahl der Opfer, die ständig nach oben korrigiert wird, ist wirklich erschreckend:
manchmal hat man den Eindruck, auf dem Blut dieser Gewaltopfer voranzuschreiten. Auch
hier in Damaskus, wie viele Explosionen hat es in diesen zwei Jahren gegeben. Dieses
Blut, dass sich – wie ich manchmal sage – auch körperlich unter den Sohlen unserer
Schuhe festsetzt, wenn man in Syrien auf die Straße geht! Diese Gewalt ist nunmehr
überall verbreitet!”
Die Menschen seien nunmehr sehr müde und enttäuscht,
fährt der Nuntius fort. Dabei spielten auch die Schwierigkeiten des täglichen Lebens
eine Rolle, das Fehlen von Nahrungsmitteln, aber auch den anderen ganz gewöhnlichen
Dingen, die man im Winter eben benötige, wie Heizmaterial. Auch die Arbeit liege nieder,
und die Kinder könnten nicht in die Schule gehen.
„Außerdem gibt es viele
Familien, die unter einem Trauerfall leiden. Man sieht eine niedergeschmetterte Bevölkerung.
Manchmal hat man den Eindruck, dass dieser Konflikt, der nunmehr so lange dauert,
nicht mehr den Einsatz derjenigen herausfordert, die etwas tun könnten, insbesondere
die internationale Gemeinschaft, und sich für eine friedliche und rasche Lösung einsetzen
könnten.“
Die christliche Gemeinschaft der verschiedenen Konfessionen,
so der Nuntius, hätte trotz allem mit den Riten der Fastenzeit begonnen. Die Kirche
sei in dieser Situation der Unsicherheit und der Gewalt geradezu ein Trost, und die
Intensität der Gottesdienstbesuche habe eher zugenommen:
„Manchmal muss
man die Zeiten etwas ändern, denn man kann beispielsweise keinen abendlichen Gottesdienst
feiern, aber dennoch – so höre ich – sind die Kirchen voll und man registriert einen
großen Zulauf: die Christen spüren, dass sie in dieser Situation Gott wirklich brauchen.
Ich möchte jedenfalls an alle appellieren, die in irgend einer Form die Möglichkeit
dazu haben oder die aufgrund ihres Amtes die Pflicht haben, einzugreifen, nicht wegzusehen,
sondern sofort zu intervenieren damit wir zu einer friedlichen Lösung der Krise gelangen
können.“