Kardinal Scherer: „Gefühl der Leere“ – „Benedikt hat für die Kirche gelitten“
Brasilien wartete
schon auf Benedikt XVI., doch nun wird ein neuer Papst nach Rio de Janeiro reisen.
Dort findet Ende Juli der Weltjugendtag statt. Die Brasilianer haben die Rücktrittsentscheidung
des Papstes mit Trauer und ein wenig Bestürzung aufgenommen, erzählt der Erzbischof
von San Paolo, Kardinal Odilo Scherer, im Interview mit Radio Vatikan. Die Menschen
trügen Benedikt im Herzen, der für seine Kirche gelitten habe, formuliert Scherer:
„Es
gibt ein Gefühl der Leere – das ist normal, denn für alle Katholiken und nicht nur
für die, ist der Heilige Vater eine wichtige Person, er ist ein Bezugspunkt für die
Kirche und den Glauben. Benedikt XVI. ist in den Herzen der Menschen - mit seiner
geistlichen Größe, seiner Intelligenz, seinem Glauben, seiner Demut, seiner Einfachheit
und mit seinem Dienst und seiner Liebe der Kirche gegenüber, für die er sehr gelitten
hat. Wenn der Heilige Vater also seinen Rücktritt erklärt, ist das für die Menschen
einen Moment so, als ob ein wichtiger Bezugspunkt verschwindet. Natürlich wird sich
das wieder ändern, wenn die Leute begreifen, dass es weiter geht mit die Kirche.“
Überraschung und Bewunderung für den Papst bewege in diesen Tagen die
Gemüter der Brasilianer, so der Kardinal:
„Die Leute haben einerseits
nicht damit gerechnet, andererseits gibt es echte Bewunderung für den Papst, der den
Mut hatte, angesichts der eigenen gesundheitlichen Verfassung, seines Alters, seiner
Zerbrechlichkeit zum Wohl der Kirche zu entscheiden: das war ein wirklich eine Zäsur,
die der Papst gegenüber all dem gemacht hat, was die Bedingung des Papstes menschlich,
in Begriffen von Ehre usw., bedeuten könnte. Er verzichtet auf all das zum Wohl der
Kirche, damit die Kirche einen guten Dienst erfährt. Und das spürt man.“
In
dieser Woche hat in Brasilien die „Kampagne der Brüderlichkeit“ begonnen, mit der
die brasilianischen Bischöfe jedes Jahr die Fastenzeit einläuten. Sie steht in diesem
Jahr unter dem Motto „Brüderlichkeit und Jugend“ – passend zum Weltjugendtag. Dazu
Kardinal Scherer:
„Brüderlichkeit und Jugend – das ist die Verbindung
mit diesem Welttreffen der Jugend, das ist durchaus gewollt. Die Welt der Erwachsenen,
die Kirche, die Gesellschaft sollten sich fragen: wie verhalten wir uns der Jugend
gegenüber? Bemühen wir uns wirklich um das Wohl der Jugend? Sich um das Wohl der Jugend
zu bemühen heißt, sich um das Wohl der Menschheit zu bemühen. Was bieten wir heute
den Jugendlichen? Wie bereiten wir sie auf das Morgen vor? Welche Perspektive geben
wir ihnen für ihre Familie, für ihre Zukunft? Geben wir ihnen festen, sicheren, wahren
Grund, um ein Leben aufzubauen? Die Kampagne der Brüderlichkeit stellt der ganzen
Gesellschaft und Kirche solche Fragen.“
Brasiliens katholische
Kirche richtet die Solidaritätsaktion seit über 60 Jahren aus. In Brasilien leben
um die 137 Millionen Katholiken, was ungefähr 74 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht.