Rowan Williams: „Das Papstamt wird ent-mythologisiert“
„Als wir uns
das letzte Mal unterhalten haben, hat er (d.h. der Papst) sehr deutlich von seiner
eigenen Schwäche gesprochen, und ich dachte einen Moment: Ob er wohl an Rücktritt
denkt?“ Rowan Williams war bis Ende 2012 anglikanischer Primas von Canterbury;
auch er ist vorzeitig von seinem Amt zurückgetreten. Im Interview mit Radio Vatikan
sagte er: „Ich hatte in unseren Gesprächen das Gefühl, als fragte er sich allmählich:
Kann ich guten Gewissens weitermachen? Natürlich hatte er das Beispiel seines Vorgängers
vor Augen, der mit enormem Mut bis zum Ende durchgehalten hat. Aber er mag den Eindruck
gewonnen haben, dass so etwas diesmal nicht im besten Interesse der ganzen Kirche
sein könnte.“
Er selbst habe den Papst vertraulich vorab von seinem Rücktrittsplan
unterrichtet, erzählt der frühere Primas der anglikanischen Weltgemeinschaft. „Wir
haben ein bisschen über den Druck des Amtes geredet, und dass man eigentlich mehr
zum Nachdenken und zum Beten kommen müsste.“ Williams hat sich mit Benedikt XVI.
in den letzten acht Jahren häufig getroffen; sie hatten ein „warmes Verhältnis“, sagt
er. Sieht er den angekündigten Rückzug des Papstes als einen Schritt zur Modernisierung
des Amtes? Liegt er gar auf einer Linie mit dem Vorschlag Johannes Pauls II. in der
Ökumene-Enzyklika „Ut Unum Sint“, eine neue und für alle Christen akzeptable Form
der Ausübung des Petrusdienstes zu finden?
„Das ist eine interessante Frage.
Es scheint mir tatsächlich so, dass ein solcher Akt dazu beiträgt, das Papstamt, wenn
Sie so wollen, zu ent-mythologisieren. Der Papst ist nicht eine Art Gottkönig, der
bis zum Schluss weitermacht. Das Dienstamt, das der Bischof von Rom ausübt, ist genau
das: ein Dienstamt. Und darum ist es vernünftig zu fragen, ob es einen Moment gibt,
in dem besser jemand anderes den Hirtenstock in die Hand nehmen sollte. Also: Ja,
ich nenne das Ent-Mythologisieren. Und dadurch erinnert es uns daran, dass der Primat
des Bischofs von Rom der eines Dieners an der kirchlichen Einheit ist. Er ist der
Bischof, der zusammenführt, der vermittelt, der für die Gemeinschaft der Bischöfe
sorgt. Dieses etwas mehr funktionale, etwas weniger theologisch aufgeladene Bild mag
eines der Dinge sein, die sich aus dem (Rücktritt des Papstes) ergeben…“
Es
könne durchaus sein, dass die neue Art des Papstamtes, die sich aus der Entscheidung
von Benedikt XVI. ergibt, sich als ein großer Schritt für die Ökumene herausstelle.
Aber er glaube, man müsse die „Implikationen von Ut Unum Sint erst noch genauer durcharbeiten“,
und wenn der Papst-Rücktritt „ein Stimulus dafür“ sei, dann fände er das gut. Frage
an Rowan Williams: Was würden Sie dem Papst zu seinem Rückzug gerne sagen?
„Ich
habe ihm schon privat geschrieben. Öffentlich würde ich sagen, dass er in unserer
Zuneigung und in unseren Gebeten bleibt. Und dass wir auf noch mehr tiefgehende und
durchdachte Theologie aus seiner Feder warten – von der Art, die seine Enzykliken
so außerordentlich fruchtbar gemacht hat, als eine Ressource für die ganze christliche
Familie!“