2013-02-10 11:29:48

Afrika: AIDS ist noch lange nicht besiegt


RealAudioMP3 Was wissen wir eigentlich heute, mehr als 30 Jahre nach der Entdeckung von AIDS und HIV über diese Krankheit? Abgesehen vom Welt-AIDS-Tag am ersten Dezember beschäftigen sich die meisten Menschen wohl eher sehr, sehr selten mit diesem Thema. Dabei ist AIDS noch lange nicht besiegt, sondern immer noch präsent. Dies gilt vor allem für Südafrika, wo etwa 28 Prozent der Bevölkerung mit HIV infiziert sind, in einigen Gebieten ist die Zahl sogar noch höher.

Die Umgebung des Bistums Rustenberg in Südafrika ist sehr ländlich, es gibt aber auch Zeichen der Industrialisierung: Zwischen den traditionellen afrikanischen Dörfern und Stammesgebieten gibt es Platinminen. Diese Minen haben zu einer Masseneinwanderung aus den ländlichen Gebieten geführt, berichtet der Bischof von Rustenberg, Kevin Dowling, im Gespräch mit Radio Vatikan. Rund um die Minen hatten sich – in der Hoffnung auf Arbeit – viele Menschen angesiedelt, nicht nur Männer, sondern auch Frauen.

„Sie sind alle illegal hier, also gibt es keinerlei Serviceleistungen für sie. Das führt zu einer tödlichen Kombination von extremer Armut, verzweifelten Leuten und Minenarbeitern, die für viele Monate ihre Heimat verlassen. Die HIV-Ansteckungsrate ist aufgrund dieses gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontextes sehr hoch in dieser Gegend – und sie steigt noch immer weiter an.“

Die Menschen hausen in selbst gezimmerten Buden aus Holz und Zink, die in einem erbärmlichen Zustand sind, erzählt der Bischof. Doch das ist längst nicht das größte Problem: Im Umfeld der Minen ist knapp die Hälfte der Menschen HIV positiv, so Bischof Dowling, der mit einem kirchlichen Hilfsprogramm die Kranken unterstützt. Die Minen vermittelten den Leuten das Gefühl, dass es Geld und Jobs in der Gegend gebe – ein fataler Trugschluss:

„Das Tragische dabei ist, dass all diese Leute, vor allem Frauen, hier herkommen, aber: Hier gibt es keine Jobs, und hier wird es auch nie welche geben. Deshalb sind diese Frauen zur Prostitution gezwungen, um ihre Kinder und sich selbst ernähren zu können. Ich nenne das ‚survival sex – Sex, um zu überleben’. Mit anderen Worten: Das einzige Mittel zum Überleben für diese Frauen ist, im Sex-Sektor zuarbeiten, um so zu Geld zu kommen, von den Leuten, die welches haben. Und das sind die Minenarbeiter, die Leute, die dort einen Job haben, die aber meistens dafür ihre Familie und ihre Frauen verlassen haben. Auf der einen Seite sind also Männer mit Geld ohne ihre Frauen, und auf der anderen Seite sind verzweifelte Frauen ohne Geld. Diese sozial-ökonomische Realität ist für den gefährlichen Lebensstil dieser Frauen verantwortlich, die einfach nur überleben wollen, ein bisschen Brot für sich und ihre Kinder wollen.“

Jenseits dieser grausamen Realität sieht Bischof Dowling aber auch einen historischen Grund für die besonders hohen HIV-Infektionsraten in Südafrika. In der Zeit, in der die Krankheit entdeckt wurde, also in den 1980er Jahren, sei Südafrika mit einem ganz anderen Problem beschäftigt gewesen: mit dem Kampf um die Unabhängigkeit. Bis zum Jahr 1994, als Nelson Mandela an die Macht kam, habe sich in Afrika alles nur auf die Politik konzentriert. In dieser Zeit habe das Thema AIDS kaum Aufmerksamkeit bekommen. Die Krankheit habe sich deshalb quasi ungehindert ausbreiten können. Zudem habe die Regierung das AIDS-Problem auch erst einmal geleugnet. Wertvolle Zeit wurde so verschenkt, mit dem Ergebnis, dass fünf Millionen Menschen infiziert wurden und sehr viele von ihnen auch an AIDS starben, berichtet Bischof Dowling. Und wo sieht er heute das größte Problem?

„Das größte Problem, was wir heute haben, sind die vielen Waisenkinder, die vielen Kinder, die alleine einen Haushalt führen und klarkommen müssen. Wir haben hier um die zwei Millionen AIDS-Waisen, und das ganze Ausmaß dieser Tragödie ist bisher noch nicht einmal erfasst worden.“

Insgesamt habe sich die Lage in den vergangenen zehn Jahren aber auch stark verbessert, nicht zuletzt, weil beispielsweise der ehemalige amerikanische Präsident Bush das so genannte ‚PEPFAR’-Programm gestartet hatte, um die Menschen in Südafrika im Kampf gegen AIDS und HIV zu unterstützen. Das Programm habe auch die Arbeit der katholischen Hilfsorganisationen gefördert, zum Beispiel mit Medikamenten oder finanzieller Hilfe. Dies sei sehr wichtig gewesen, so Dowling.

„Insgesamt stehen wir vor einer sehr großen Herausforderung, aber mittlerweile sind wird doch von den Anfangsjahren entfernt. Damals sah ich sehr viele Mütter und ihre Babys in stickigen Bretterbuden sterben. Ich schaute in absolut hoffnungslose Augen. Die Leute waren sehr verzweifelt. Es gab Mütter, die zu mir sagten: ‚Pater, es gibt keine Hoffnung für mich und meine Kinder.’ Und ich wusste, ich konnte ihnen damals nur helfen, indem ich ihnen die Hand hielt und versicherte, dass ich mich nach ihrem Tod um ihre Kinder kümmern würde. Im Vergleich dazu sind wir heute schon einen Schritt weiter, auch wenn es nicht so ist, dass so etwas heute überhaupt gar nicht mehr passiert. Es gibt auch leider immer noch sehr viele Leute, besonders Männer, die uns aus Scham zu spät um Hilfe bitten. Dann können wir ihnen nur noch helfen, dass sie einen Platz finden, an dem man sich um sie kümmert und an dem sie in Würde sterben können.“

Der Bericht von Bischof Kevin Dowling aus dem südafrikanischen Bistum Rustenberg macht deutlich: AIDS ist auch mehr als dreißig Jahre nach der Entdeckung des Virus immer noch sehr präsent in Südafrika. Es gibt noch sehr viel zu tun, um den Menschen dort zu helfen.

(rv 07.02.2013 sta)








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