„Die Häme und die Aggression, mit der Teile der Öffentlichkeit ... uns begegnen, macht
uns sehr betroffen“. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat an die Mitarbeiter seines
Erzbistums geschrieben. In dem Brief beklagt er eine richtiggehende „Katholikenphobie“.
Nach Einschätzung von Wissenschaftlern werde derzeit „keine Religion oder Konfession
derart so gezielt öffentlich angegriffen wie die katholische Kirche“, schreibt Kardinal
Meisner. „Umso wichtiger“ sei es, „dass wir für solche Angriffe keine Gründe liefern“.
Der
Brief des Kardinals trägt das Datum 5. Februar. Schon im ersten Satz spricht er von
einem „Sturm, wie ich ihn in meinen Jahren als Bischof selten erlebt habe“. Dafür
gebe es zwei aktuelle Anlässe: zum einen die Vorfälle in zwei katholischen Krankenhäusern,
die eine vergewaltigte Frau abgewiesen hatten. „Ich habe mich bei der Frau entschuldigt“,
so Meisner, „und deutlich gemacht, dass dies ein beschämender Vorgang ist, der sich
nicht wiederholen darf.“ Dass er sich daraufhin „lehramtlich zu den Fragen der so
genannten Pille danach geäußert“ habe, sei „keine neue Lehrmeinung“ gewesen, „sondern
vielmehr die Anwendung unserer bisherigen moraltheologischen Prinzipien auf die neue
Situation“.
„Der zweite ‚Aufreger'“, so Kardinal Meisner, „war die Beendigung
der Zusammenarbeit mit Professor Christian Pfeiffer“ für eine Studie zum kirchlichen
Umgang mit Missbrauchsfällen. Die Bischöfe hielten trotz dieser Vertrauenskrise am
Projekt der Forschungsstudie fest. Er bedaure, dass die Kirche in dieser Angelegenheit
Vertrauen verloren habe. Aber: „Eine redliche Berichterstattung müsste in diesem Zusammenhang
zumindest auch nennen, dass wir am 7. Dezember 2012 die Studie „Sexuelle Übergriffe
durch katholische Geistliche in Deutschland“ ... des anerkannten Psychiaters Professor
Leygraf vorgestellt haben und was wir mit der Einführung von umfangreichen Präventionsmaßnahmen
auch in unseren Bistümern auf den Weg gebracht haben.“
„Tapfer sein
und standhalten“
Kardinal Meisner fährt fort: „Mich hat in den letzten
Wochen sehr nachdenklich gemacht, dass die Bereitschaft der Kirche zur Aufklärung
und zum Handeln vielfach in Abrede gestellt oder verschwiegen wurde... Die Entschiedenheit
der katholischen Positionen zum Lebensschutz, zu Ehe und Familie sowie eine deutliche
Repräsentanz durch Personen wie den Papst und die Bischöfe polarisieren in der Gesellschaft
immer stärker.“
Meisner rät dazu, „tapfer ungerechtfertigte Vorwürfe zu ertragen“.
Tapferkeit bestehe, so zitiert er den Papst, „nicht im Dreinschlagen, ... sondern
im Sich-schlagen-Lassen und im Standhalten gegenüber den Maßstäben der herrschenden
Meinungen“. Wörtlich urteilt Kardinal Meisner: „Wir haben täglich ... reichlich Gelegenheit,
uns darin einzuüben. Vielleicht eröffnet uns dies eine besondere Dimension für die
diesjährige österliche Bußzeit.“
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen
Katholiken (ZdK), Alois Glück, zeigte in einer ersten Reaktion Verständnis für den
Brief des Kölner Erzbischofs. „Immerhin hatte der Kardinal den Mut, in einer Druck-Situation
Bewegung etwa in die Debatte über die ‚Pille danach' zu bringen“, sagte Glück dem
„Kölner Stadt-Anzeiger“. „Das war überraschend und verdient Anerkennung.“ Meisner
hatte als Reaktion auf die Abweisung des Vergewaltigungsopfers in Kölner Krankenhäusern
vor wenigen Tagen erklärt, dass eine ‚Pille danach' auch aus katholischer Sicht zu
akzeptieren sei, wenn sie keine abtreibende Wirkung für eine bereits befruchtete Eizelle
habe. Glück erklärte, in der Tat gebe es „aggressiv-antikirchliche Stimmungen“. Sie
seien zum Teil Folge schlechter Erfahrungen mit der Kirche. Zum Teil seien sie aber
auch Ausdruck einer Entfremdung gegenüber der Dimension des Religiösen überhaupt.