Der Bischof von Lausanne,
Genf und Fribourg, Charles Morerod, bekräftigt seine skeptische Haltung gegenüber
der Priesterbruderschaft Pius X. In einem Interview mit Radio Vatikan äußerte sich
Morerod, der vor seiner Bischofsweihe einer vatikanischen Dialogkommission mit den
Piusbrüdern angehörte, am Mittwochabend zu einem Dekret, das der Bruderschaft die
Nutzung kirchlicher Räume in seinem Bistum verbietet.
„Mich wundert,
dass man davon jetzt spricht, weil ich dieses Dekret veröffentlicht habe. Dabei wurde
das Dekret doch im September 2011 von der Bischofskonferenz beschlossen, als ich ihr
noch gar nicht angehörte! Ich fand es also schon auf meinem Schreibtisch vorbereitet,
als ich Bischof wurde, und erfuhr, dass die Bischofskonferenz es jedem ihrer Mitglieder
freistellte, ob sie es veröffentlichen wollten oder nicht. Der Bischof von Sion und
der Abt von Saint-Maurice haben also das Dekret im Januar 2012 veröffentlicht, die
Bischöfe von Basel und von St. Gallen dann im Februar 2012. Wenn man bedenkt, dass
sich der Sitz der Piusbruderschaft auf dem Gelände des Bistums Basel und das Priesterseminar
auf dem Gelände des Bistums Sion befinden, bin ich doch erstaunt, dass sie keinerlei
Reaktion gezeigt hat, vor mehr als einem Jahr.“
Im Übrigen sage das
Dekret auch in Bezug auf die Piusbrüder überhaupt nichts Neues im Vergleich zu bischöflichen
Richtlinien aus dem Jahr 1999.
„Es gibt in dieser Hinsicht wirklich
nichts Neues – überhaupt nichts Neues. Außer, dass an einer Stelle eine Aktualisierung
da ist, weil man einen Text von Benedikt XVI. aus dem Jahr 2009 zitiert. Ich habe
also vor der Publikation des Dekrets ein Jahr lang gewartet, weil ich erst einmal
sehen wollte, wie sich der Dialog entwickelt. Und ich muss sagen: Ich war enttäuscht
darüber, wie sich der Dialog entwickelte!“
Diese Enttäuschung
hing vor allem mit einem Buch eines der Bischöfe der Piusbruderschaft zusammen: Es
untersucht die Theologie Benedikt XVI. und wirft dem Papst mehrfach „ohne Drumherum
zu reden“ vor, häretisch zu sein. Das sei doch „schwerwiegend“, urteilt Bischof Morerod.
„Aber
ich sagte mir dann: Immerhin ist das ja nicht der Generalsuperior der Piusbruderschaft,
der das schreibt. Dieser – also Bischof Fellay – hatte doch die anderen Bischöfe gebeten,
sich etwas versöhnlicher zu äußern. Also gab es vielleicht doch Hoffnung? Doch dann
sehe ich im November 2011 den Text einer Predigt von Bischof Fellay, der u.a. erklärte:
Wir können die sogenannte neue Messe nicht als erlaubt anerkennen. Da sagte ich mir:
Also wirklich – das zeigt doch, dass unser Dialog nicht viel gebracht hat. Und dann
meinte Fellay in derselben Predigt: Wir sind im Dialog jetzt wieder am gleichen Punkt
angelangt, an dem wir um 1975 schon einmal waren. Damit behauptete er praktisch: Was
wir gemacht haben, hat nichts gebracht, außer dass es womöglich die Lage sogar verschlechtert
hat!“
„Ernsthafte Schwierigkeiten für die Einheit“
„Zutiefst
unverantwortlich“: So findet es Bischof Morerod, was der Leiter der Piusbrüder dann
im Dezember bei einem Besuch in Kanada erklärte. Es seien, so Fellay, die „Feinde
der Kirche“, nämlich „Juden und Freimaurer“, die die Gespräche des Vatikans mit der
Bruderschaft hintertrieben und bremsten.
„Das ist zutiefst unverantwortlich,
nicht nur, weil es eine sehr harte Kritik am Vatikan ist, sondern vor allem, weil
uns die Geschichte eigentlich hätte lehren müssen, dass man sich einer solchen Redeweise
über die Juden besser enthalten sollte! Die Lehre des Konzils und die Besuche von
Johannes Paul II. und Benedikt XVI. in der römischen Synagoge, die die Piusbrüder
übrigens immer kritisiert haben, zeigen ein anderes Gesicht der katholischen Kirche!
Und ich möchte nicht, dass Priester, die sich als katholisch ausgeben, die katholische
Messe als ,schlecht‘ einstufen oder die Juden Feinde der Kirche nennen, denn ich halte
das für schwerwiegend.“
Und dennoch scheut sich der Westschweizer
Bischof, die Priesterbruderschaft Pius X. rundweg als „schismatisch“ einzustufen.
Ihre Einstufung durch die römisch-katholische Kirche sei derzeit nun einmal „nicht
klar“.
„Das ist nicht klar, weil die Kirche sich in ihrem Wohlwollen
um ihre Annäherung bemüht. Aber wenn ein Bischof der Bruderschaft, ohne dass diese
ihn dementiert, den Papst als Häretiker beschuldigt, der Generalsuperior die Eucharistie,
die u.a. der Papst feiert, als ,schlecht‘ einstuft und erklärt, sie bringe ,den Verlust
des Glaubens mit sich‘, dann würde ich sagen: Das schafft für die Einheit zumindest
ernsthafte Schwierigkeiten!“
Morerod gibt an, er habe in seinem
Bistum noch nicht mit Mitgliedern der Piusbruderschaft gesprochen. Zwar sei er zu
einem Treffen bereit, aber es gebe in der Westschweiz auch gar nicht so viele Piusbrüder.
Dass Gespräche mit der Bruderschaft letztlich zu ihrer Einigung mit dem Vatikan führen
könnten, sieht der Bischof ausgesprochen skeptisch. Schließlich habe sich die Haltung
Fellays „seit letztem Herbst noch weiter verhärtet“.
„Aber wenn ich
da jetzt zu pessimistisch bin – umso besser! Schließlich wäre ich der erste, der sich
freuen würde, wenn sich die Dinge doch einrenken sollten. Ein Dekret wie das, was
wir – ich betone: nicht nur ich, sondern wir Bischöfe – unterzeichnet haben, lässt
sich ja auch wieder ändern, wenn sich die Lage ändert. Das wäre umso besser.“