Vatikan: Beim Vorgehen gegen Missbrauch geht „Null-Toleranz-Politik“ weiter
Beim Vorgehen gegen
sexuellen Missbrauch durch Kleriker will der Vatikan seine „Null-Toleranz-Politik“
fortführen; die Sorge um die Opfer soll dabei weiter im Zentrum stehen. Das hat der
neue vatikanische Missbrauchsbeauftragte Robert Oliver am Dienstagabend bei einer
Konferenz in der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom unterstrichen. Der US-Amerikaner
war vom Papst am 20. Dezember als Nachfolger von Charles Scicluna, dem „Anwalt der
Gerechtigkeit“ in der römischen Glaubenskongregation, eingesetzt worden. Auf der Konferenz
wurden die Akten des großen Missbrauchssymposiums vorgestellt , auf dem sich im Februar
2012 Vertreter fast aller Bischofskonferenzen der Weltkirche über Prävention und Folgen
von sexuellem Missbrauch durch Kleriker austauschten.
Der Vatikan behandle
jährlich etwa 600 Missbrauchsvorwürfe, gab Oliver an. Die Tendenz sei rückläufig,
die meisten Fälle bezögen sich auf den Zeitraum 60er bis 80er Jahre. Der bisherige
Höhepunkt sei mit 800 neuen Vorwürfen im Jahr 2004 erreicht worden, so der Kirchenanwalt.
In den vergangenen drei Jahren sei die Zahl auf 600 pro Jahr zurückgegangen. Oliver
lobte die internationale Missbrauchskonferenz von 2012 als wegweisend, was die Aufklärung
und die Sensibilisierung für das Thema betrifft:
„Ein großes Problem war
schon immer, dass man bei Vorwürfen zuerst alles verneint und zurückdrängt. Deshalb
wurde mit der Konferenz von 2012 an der Gregoriana große Arbeit geleistet, weil man
das Missbrauchsproblem direkt ansprach. Denn die beste Prävention besteht darin, das
Problem von vornherein zu kennen bzw. zu wissen, wie es zu Missbrauch kommen könnte.
Wichtig war und ist, dass alle Kirchenmitarbeiter – egal in welcher hierarchischen
Position – davon Kenntnis haben.“
Eine Herausforderung für den Kampf der
katholischen Weltkirche gegen Kindesmissbrauch in den eigenen Reihen sind nicht nur
kulturelle Unterschiede – so ist sexueller Missbrauch in asiatischen Gesellschaften
zum Beispiel weitgehend ein Tabu -, sondern auch Unterschiede in den jeweiligen Gesetzgebungen
der einzelnen Länder. So gibt es in Italien und Deutschland zum Beispiel keine Anzeigepflicht,
in Frankreich aber schon. Ebenso muss noch geklärt werden, wie sich die Zusammenarbeit
der Kirchen und der staatlichen Behörden am besten verzahnen kann, um Missbrauch tatsächlich
effektiv zu ahnden und überhaupt zu verhindern. Dazu Oliver:
„Jeder Kulturkreis
hat eine andere Art, mit Missbrauch umzugehen. Es ist aber wichtig, dass wir uns regelmäßig
treffen und eine internationale Konferenz durchführen. Denn wir können durchaus viel
voneinander lernen. Wichtig ist immer, dass die Würde der Kinder gewahrt wird.“
In
der Tat werde für die katholische Kirche die Betreuung der Opfer von Missbrauch „an
oberster Stelle“ stehen, versicherte der neue „Anwalt der Gerechtigkeit“.
Vor
genau einer Woche hatten der Direktor des Münchner Zentrums für Kinderschutz, Hubert
Liebhardt, sowie der Leiter des Psychologischen Instituts an der Gregoriana, Jesuitenpater
Hans Zollner, dem Papst die deutsche Ausgabe der Akten des letztjährigen Symposiums
übergeben. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte Zollner, der einer der Hauptorganisatoren
der aktuellen Missbrauchskonferenz ist:
„Für uns war die Reaktion des Papstes
sehr erfreulich und herzlich. Wir haben gemerkt, dass der Heilige Vater auf dieses
Thema eingegangen ist und dass er auch derjenige war, der dieses Thema als erster
– nämlich als Präfekt der Glaubenskongregation – weiter verfolgt hat. Er hat sich
lange vor irgendjemand anderem in der Kirche und auch in der Gesellschaft, vor über
15 Jahren, des Themas angenommen.“
Zwischenbericht zur E-Learning-Plattform Die
zweite internationale Missbrauchskonferenz an der Gregoriana findet noch bis Freitag
hinter verschlossenen Türen statt. Dort sollen unter anderem die Ergebnisse des Münchner
Kinderschutzzentrums „Centre for Child Protection“ vorgestellt werden. In der Einrichtung
wird in Zusammenarbeit mit dem Psychologischen Institut der Gregoriana und der Kinderpsychologischen
Abteilung der Uniklinik Ulm ein E-Learning-Programm zur Missbrauchsprävention entwickelt.
Das Programm schult Mitarbeiter im kirchlichen Raum in Prävention und im Umgang mit
sexuellem Missbrauch und wird künftig in acht Ländern auf vier Kontinenten erprobt.
Außer Deutschland und Italien sind diese Argentinien, Ecuador, Ghana, Kenia, Indien
und Indonesien.