Bundespräsident Joachim
Gauck hat den Sozialreformer Adolph Kolping gewürdigt. Der „zutiefst fromme“ katholische
Priester des 19. Jahrhunderts habe sich mit Leidenschaft für die sozialen Nöte der
Menschen seiner Zeit interessiert, sagte Gauck bei einem Festakt zum 200. Geburtstag
Kolpings am Samstag in Köln. Zuvor hatte das Staatsoberhaupt das Grab Kolpings in
der Kölner Minoritenkirche besucht und dort an einem Gedenkgottesdienst teilgenommen.
Das Kolpingwerk Deutschland erinnert mit einem Festjahr an seinen Gründer, der am
8. Dezember 1813 geboren wurde.
„Ein besonderer Mann, ein überzeugter Christ
und ein großer Deutscher ist es, an den wir heute erinnern. Adolph Kolping gehört
– mit Bischof Ketteler von Mainz und Johannes Wichern, dem evangelischen Sozialreformer,
Publizisten und Pädagogen – zu den christlichen Männern und Frauen des neunzehnten
Jahrhunderts, die gleichzeitig ganz genau das Evangelium gelesen und die ganz genau
hingeschaut haben, was die Bedürfnisse der Zeit waren. Deswegen ist die Erinnerung
an sie, deswegen ist die Erinnerung an Adolph Kolping nicht wie ein Gang durchs historische
Museum. Es handelt sich hier vielmehr um eine produktive Erinnerung, eine wenn man
so will „gefährliche Erinnerung“, wie Johann Baptist Metz das genannt hat – gefährlich
für den, der den Wandel scheut, der aus der Auseinandersetzung mit der Erinnerung
folgen kann.“
Kolping sei mit Leidenschaft „Zeitgenosse“ gewesen, so Gauck:
„Er litt unter den sozialen Zuständen, er litt unter fehlenden Chancen für so viele,
er litt darunter, dass Familien moralisch und finanziell Not leiden mussten und dadurch
den Einzelnen Halt und Stabilität abhanden kamen. Er nahm also teil am Schicksal seiner
Zeitgenossen – und er schrieb darüber, er war ein, man kann schon sagen: besessener
Publizist. Als Rechercheur, als Redakteur, als Herausgeber, als Zeitungsgründer –
er war unermüdlich dabei, die Missstände, die er sah, unters Volk zu bringen.“
Entscheidend
sei allerdings, dass Kolping auch „ein Praktiker“ gewesen sei. „Er gründete den
katholischen Gesellenverein, weil ihm klar war: So etwas musste es geben und einer
muss den Anfang machen. Und er ließ das erste Gesellenhaus bauen, weil er wusste:
Diese Einrichtungen werden bitter nötig gebraucht und einer muss den Anfang machen.
Diese Kombination aus tiefem Glauben, dem Menschen zugewandter Medientätigkeit und
praktischen Antworten auf die Nöte der Zeit: diese Kombination vor allem ist es, die
Adolph Kolping hoch aktuell sein lassen. Die im Sinne von Johann Baptist Metz „gefährliche
Erinnerung“ daran kann aus Bequemlichkeiten und Selbstgenügsamkeiten aufrütteln und
neue Orientierung geben. Auf die sozial engagierten Menschen wie Adolph Kolping kann
die Christenheit mit Recht stolz sein.“
Plädoyer für die Familie
Präsident
Gauck hielt, vom Begriff der „Kolpingsfamilie“ ausgehend, in Köln auch ein Plädoyer
für die Familie: Sie sei „das erste Netz, das dem Menschen Halt und Sicherheit gibt“.
„Die Familie zu stärken, also das erste und nächste Netz, in dem die Menschen aufwachsen
und die ersten Schritte ins Leben probieren, das ist für unsere ganze Gesellschaft
von lebenswichtiger Bedeutung. Es geht dabei nicht um ein Idealbild, dem die Wirklichkeit
der Familie zu keiner Zeit entsprochen hat. Familie war niemals einfach ideal. Familie
war und ist immer eine je neue Aufgabe, in jeder Generation... Immer geht es darum,
einen Raum zu schaffen, in dem man atmen kann, in dem man die Sicherheit erfährt,
dass man immer wieder angenommen wird, in dem man Verlässlichkeit und Bindung erfährt.
Familie ist ein zentrales Thema der Gesellschaft: So viele Chancen des Einzelnen und
soviel geistige, seelische und moralische Prägung hängen davon ab.“
Das
Zusammenleben der Generationen habe „seinen vornehmsten Erfahrungs- und Übungsort
in der Familie“, so Gauck. „Wie einzelne können auch Familien schwach sein und
brauchen Ermutigung, Befähigung, Ermächtigung. Das geschieht im Kolpingwerk beispielhaft.
Und daran können und sollten sich deswegen andere, die in der Gesellschaft Möglichkeiten
und Verantwortung haben, ein Beispiel nehmen!“
Adolph Kolping sei einer
der Väter der katholischen Soziallehre, so der Bundespräsident. „Deren zentrale
Prinzipien – Subsidiarität, Solidarität und Personalität – haben sowohl unsere Wirtschaftsordnung
der sozialen Marktwirtschaft als auch das Grundgesetz maßgeblich und bis heute geprägt.
Man darf wohl sagen: zu unser aller Wohl und Glück. In ökumenischer Gelassenheit darf
ich darauf hinweisen, dass auch die evangelische Tradition der Sozialethik ihren wesentlichen
Beitrag geleistet hat zur Synthese sozialer Verantwortung und marktwirtschaftlicher
Effizienz und Freiheit.“