Bei den komplexen
Friedensverhandlungen zwischen den FARC- Rebellen und der kolumbianischen Regierung
könnte die Kirche eine wichtige Rolle spielen. Dies sagte der Kolumbien-Referent des
Lateinamerikahilfswerkes „Adveniat“, Franz Hellinge, im Gespräch mit Radio Vatikan.
Die kirchliche Nationale Versöhnungskommission ist bislang zwar nicht in die laufenden
Friedensverhandlungen einbezogen worden, könnte aber ins Spiel kommen, wenn diese
stocken sollten, so der Beobachter. An diesem Donnerstag gehen die Friedensverhandlungen
in eine weitere Runde. Die jüngste Entführung von zwei kolumbianischen Soldaten ist
eine Belastungsprobe für die ohnehin schwierigen Gespräche, die auf Kuba stattfinden.
Franz Hellinge:
„Die Regierung hat von Anfang an mit ziemlich klaren und
harten Tönen immer wieder betont, dass sie die Kampfhandlungen nicht einstellen werden,
bevor es Lösungen und Verhandlungen mit Ergebnissen gibt. Ansonsten würden die Kampfhandlungen
mit unverminderter Härte fortgeführt – so dass ich mir erklären kann, dass hier und
da gewisse Frustrationen auf Seiten der Guerilla vorhanden sind. Außerdem muss man
beachten, dass die Guerilla ja über viele Gruppen über das Land verteilt ist und mitunter
die Kommandostrukturen von oben nach unten nicht immer ganz stringent durchgehalten
werden.“
Die Friedensgespräche auf Kuba haben laut Hellinge nur dann eine
Chance, wenn das „tief sitzende Misstrauen“ zwischen den beiden Parteien überwunden
wird – ein „tiefer Wille zum Frieden“ sei die Voraussetzung. Der Generalsekretär der
Nationalen Versöhnungskommission, Dario Echeverri, hatte vor zu hohen Erwartungen
an die Verhandlungen gewarnt: Bislang könne ohnehin nur von der „Suche nach einem
Weg aus dem bewaffneten Konflikt“ die Rede sein, stellte der katholische Geistliche
klar. Dreh- und Angelpunkt ist laut Hellinge die Landfrage, an der sich in Kolumbien
alles entscheidet:
„Am Thema Grund und Boden liegen letztlich die historischen
Wurzeln des Konfliktes in Kolumbien, und dessen Regelung stellt somit auch den Schlüssel
zu einem wie immer gearteten Frieden dar. Hier muss man wissen, dass ein Prozent der
Eigentümer über mehr als die Hälfte der Anbaufläche des Landes verfügen. Unter den
Großgrundbesitzern befinden sich letztlich auch die Gegenspieler möglicher Friedensgespräche,
und da allen voran: die Viehzüchter, die sich schon offen gegen den Prozess ausgesprochen
haben.“
Politische Teilhabe der FARC? Weitere Fragen, die langfristig
geklärt werden müssen: Will man den FARC-Rebellen und damit einer paramilitärischen
Gruppe in Kolumbien politische Teilhabe gewähren? Nach 2004 sei der Versuch einer
Reintegration der Kämpfer in die Gesellschaft bereits gescheitert, gibt Hellinge zu
bedenken, das Problem der paramilitärischen Gruppen habe sich seitdem verfestigt.
Ein weiteres Problem, das Lösung verlangt: die immer wieder aufflammende Gewalt und
der Drogen- und Waffenhandel, in den Rebellen und Paramilitärs verstrickt sind. Kolumbiens
Bevölkerung brenne weiter die Frage der Entschädigung der Opfer des Konfliktes auf
der Seele: 600.000 Tote hat dieser bisher gefordert; über 4 Millionen Menschen schlug
der Konflikt in die Flucht.
Die Rolle der Kirche auf einem möglichen Weg zu
Frieden und Stabilität sei für Kolumbien ganz wesentlich, so Franz Hellinge von Adveniat:
„Die
Kirche ist an der Seite der Armen, der Vertriebenen an den Stadträndern größerer Städte,
bei der Unterkunftsbeschaffung, der Versorgung mit Lebensmitteln, in der Rechtsberatung
und nicht zuletzt ja auch in der psychologischen Aufarbeitung seelischer Traumata
durch erlebte Gewalt bei Kindern und Erwachsenen.“