Deutsche Studie: „Die Kirche ist nicht im Heute angekommen“
Viele Christen verstehen sich nicht mehr als im traditionellen Sinn gläubig, unter
den Katholiken schwindet die Verbindlichkeit der Lehre, Glaube wird individualisiert
gelebt: Sätze wie diese hört man oft über den Zustand der Kirche. Jetzt sind sie wissenschaftlich
belegt: Die MDG, eine Dienstleistungsgesellschaft der deutschen Bischofskonferenz,
hat an diesem Donnerstag nach 2005 zum zweiten Mal eine umfassende Studie zur Situation
des Katholizismus in Deutschland vorgestellt.
Drei Dinge prägen die Ergebnisse
der Studie: Der Glaubwürdigkeitsverlust der Kirche in Deutschland, der Strukturwandel
innerhalb der Bistümer und Pfarreien und eine wahrgenommene Spaltung zwischen „Oben“
und „Unten“. Georg Frericks, Projektleiter der Studie, fasst das so zusammen:
„Als
Haupterkenntnis würde ich bezeichnen, dass durch alle Milieus hindurch eine kritische
Sicht auf die katholische Kirche vorherrschend ist und dass alle Milieus das Gefühl
haben, dass die Kirche nicht in der Zeit heute angekommen ist."
Einer der
Berater der Studie, der Freiburger Religionssoziologe Michael Ebertz, spricht sogar
davon, dass die Studie die Möglichkeit zum Ausdruck bringt, „dass die katholische
Kirche in Deutschland kollabieren könnte - weniger durch massive Kirchenaustritte,
als durch wachsende Irrelevanz und Selbstbeschädigung.“ Die Studie will das aber nicht
allgemein, sondern aufgeschlüsselt nach so genannten Milieus darstellen. Diese werden
zum einen klassisch nach ökonomischen Möglichkeiten, dann aber auch nach Grundorientierungen
wie Traditionsverwurzelung, Statusdenken, Pragmatismus oder Selbstverwirklichung unterschieden.
Alle Milieus haben gemeinsam, dass sie nach Aufklärung bei den Missbrauchsfällen verlangen
- der Vertrauensverlust zeigt sich als tiefgehend und anhaltend. Gemeinsam ist aber
allen Milieus auch, dass die Kirche nach Ansicht der Befragten moderner werden muss.
Lösungen sind aber nicht allein bei der Kirche zu suchen,
„denn wir arbeiten
natürlich gegen gesellschaftliche Trends, das muss man auch ganz klar sehen. Die Säkularisierung
unserer Gesellschaft schreitet stetig voran. Diese betrifft auch andere Institutionen
unserer Gesellschaft, nicht nur die Kirche. Aber das birgt auch Chancen, weil in allen
Milieus auch eine Sinnsuche wahrnehmbar ist, auf die wir Antwort geben können. Wichtig
wäre, dass man hier die Ärmel hochkrempelt und die Themen angeht und nicht wieder
den Kopf in den Sand steckt, denn dann überrollt uns einfach die Entwicklung, die
unsere Welt und unsere Gesellschaft durchmacht.“
Studien wie dieses Milieuhandbuch
seien wichtig, um die Menschen und ihre Bedürfnisse differenzierter wahrnehmen zu
können.
„In der Religionspädagogik sagt man so schön, dass die Religion
Antworten auf Fragen gibt, die die Menschen nicht stellen. Aus dieser Falle müssen
wir heraus kommen. Diese Falle kann man sich bewusst machen, in dem man sehr genau
so etwas wie dieses neue Milieuhandbuch liest.“