„Soziale Netzwerke:
Portale der Wahrheit und des Glaubens; neue Räume der Evangelisierung“: So lautet
der Titel der Papstbotschaft zum Medientag der Kirche. Wie alle Formen der Kommunikation
finde auch in den sozialen Netzwerken im Internet Gemeinschaftsbildung statt, so die
Botschaft. Es gehe nicht nur um den Austausch von Information, sondern letztlich um
Selbstmitteilung. Damit dies gelingen könne, nennt der Papst vier Kriterien: Respekt,
Rücksicht auf die Privatsphäre, Verantwortlichkeit und das Bemühen um die Wahrheit.
Der Papst spart aber auch nicht mit Kritik, er benennt besonders zwei Punkte:
Zum einen verdränge Beliebtheit die Bedeutung. Damit beschreibt er das Phänomen, dass
im Internet Klickzahlen mehr zählen als Inhalte. Und zweitens bedauert er, dass diese
Beliebtheit mehr mit „Strategien der Überredung“, also mit Werbung und Konsum, zu
tun hätte als mit Logik und Vernunft. „Gelegentlich kann die leise Stimme der Vernunft
vom Lärm zu vieler Informationen übertönt werden“, so die Botschaft wörtlich.
In
den sozialen Netzwerken geschehe menschliche Interaktion auf neue Weise, neue Formen
der Kommunikation entstünden. Wer dort präsent sein wolle, müsse diese Welt erst einmal
verstehen, und das gelte auch für die Kirche und die Verkündigung.
Im Folgenden
spricht Benedikt XVI. von den Möglichkeiten, die sich für einzelne Gläubige, aber
auch für die Kirche bieten. Er betont die Wichtigkeit von Zeichen und Symbolen, um
die „Vorstellungskraft und die Sensibilität“ der Menschen im Netz anzusprechen. Außerdem
brauche es die Authentizität, damit aus den Kontakten Freundschaften werden könnten.
Agora
– Marktplatz: So bezeichnet Benedikt XVI. die sozialen Netzwerke. Es ist der alte
Begriff für offene Treffpunkte und Handelsplätze. Im Internet ist nun ein neuer entstanden,
den es zu begreifen und zu nutzen gelte, denn bei aller Technikdominanz seien die
Netzwerke vor allem eines: Begegnungen von Menschen.
(rv 24.01.2013 ord)
Der
Text der Papstbotschaft
Soziale Netzwerke: Portale der Wahrheit und
des Glaubens; neue Räume der Evangelisierung
Liebe Brüder und Schwestern!
Im
Hinblick auf den Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 2013 möchte ich euch einige
Überlegungen bezüglich einer Entwicklung unterbreiten, die immer wichtiger wird und
die Art und Weise betrifft, in der die Menschen heute miteinander kommunizieren. Dabei
möchte ich die Entwicklung der sozialen Netzwerke etwas näher bedenken, die dabei
sind, eine neue Agora hervorzubringen, einen öffentlichen und offenen Marktplatz,
auf dem die Menschen Ideen, Informationen, Meinungen austauschen und wo überdies neue
Formen von Beziehungen und Gemeinschaft entstehen.
Wenn diese Räume gut und
ausgewogen genutzt werden, leisten sie einen Beitrag dazu, Formen von Dialog und Diskussion
zu unterstützen, die die Einheit unter den Menschen stärken und wirksam die Harmonie
der Menschheitsfamilie fördern können, sofern sie von Respekt, Rücksicht auf die Privatsphäre,
Verantwortlichkeit und dem Bemühen um die Wahrheit geprägt sind. Der Austausch von
Informationen kann wahre Kommunikation werden, die Beziehungen können zur Freundschaft
reifen, die Kontakte die Gemeinschaftsbildung leichter machen. Wenn die networks
dazu aufgerufen sind, dieses große Potential Wirklichkeit werden zu lassen, dann müssen
die Menschen, die daran teilhaben, sich darum bemühen, authentisch zu sein, damit
man in diesen Räumen nicht nur Ideen und Informationen miteinander teilt und austauscht,
sondern letztlich sich selbst mitteilt.
Die Entwicklung der sozialen Netzwerke
verlangt Einsatz: Die Menschen sind miteinbezogen, wenn sie Beziehungen eingehen und
Freundschaft finden, wenn sie Antworten auf ihre Fragen suchen oder Unterhaltung,
aber auch, wenn sie intellektuelle Anregungen erhalten und wenn sie Kompetenz und
Wissen miteinander teilen. Die networks werden so immer mehr Teil eben jenes
Gewebes, aus dem die Gesellschaft besteht, insofern sie die Menschen auf der Grundlage
dieser fundamentalen Bedürfnisse zusammenbringen. Die sozialen Netzwerke werden also
von Wünschen genährt, die im Herzen des Menschen ihre Wurzel haben.
Die Kultur
der social networks sowie der Wandel in den Kommunikationsformen und -stilen
stellen wichtige Herausforderungen für alle dar, die von Wahrheit und von Werten sprechen
wollen. Es hat oft den Anschein, daß der Wert und die Wirksamkeit der verschiedenen
Ausdrucksformen – wie es auch bei anderen sozialen Kommunikationsmitteln geschieht
– mehr von deren Popularität bestimmt sind als von deren wirklicher Bedeutung und
Stichhaltigkeit. Außerdem hängt die Popularität häufig eher mit Berühmtheit oder Strategien
der Überredung zusammen als mit der Logik der Argumentation. Gelegentlich kann die
leise Stimme der Vernunft vom Lärm zu vieler Informationen übertönt werden, und es
gelingt der Vernunft nicht, Aufmerksamkeit zu erregen, die statt dessen denen zuteil
wird, die sich auf verführerische Weise ausdrücken. Die social media brauchen
also das Engagement all jener, die um den Wert des Dialogs, der Diskussion und der
logischen Argumentation wissen; man braucht Menschen, die Diskurs- und Ausdrucksformen
zu pflegen suchen, die die nobelsten Beweggründen der am Kommunikationsprozeß Beteiligten
ansprechen. Dialog und Diskussion können auch dann blühen und wachsen, wenn man sich
unterhält und jene ernst nimmt, die andere Ideen haben als wir selbst. „Angesichts
der kulturellen Verschiedenheit muß dafür gesorgt werden, daß die Menschen nicht nur
die Existenz der Kultur der anderen akzeptieren, sondern auch danach trachten, sich
von ihr bereichern zu lassen sowie umgekehrt ihr das anzubieten, was sie selbst an
Gutem, Wahrem und Schönem besitzen“ (Ansprache bei der Begegnung mit der Welt der
Kultur, Belém, Lissabon, 12. Mai 2010).
Die Herausforderung, der sich die
socialnetworks stellen müssen, besteht darin, wirklich inklusiv zu
sein; dann werden sie sich der vollen Beteiligung der Gläubigen erfreuen, die die
Botschaft Jesu und die Werte der Würde des Menschen mitteilen möchten, die von seiner
Lehre gefördert werden. In der Tat spüren die Gläubigen immer mehr, daß die Frohe
Botschaft – wenn sie nicht auch in der digitalen Welt bekannt gemacht wird – in der
Lebenswelt vieler Menschen, für die dieser Raum existentiell und wichtig ist, abwesend
sein könnte. Die digitale Umwelt ist keine parallele oder rein virtuelle Welt, sondern
ist Teil der täglichen Lebenswelt vieler Menschen, insbesondere der jüngeren Generation.
Die sozialen Netzwerke sind die Frucht menschlicher Interaktion, aber sie geben ihrerseits
dem Kommunikationsgeschehen, das Beziehungen schafft, neue Formen. Ein sorgfältiges
Verstehen dieser Welt ist daher eine Vorbedingung für eine signifikante Präsenz in
ihr.
Die Fähigkeit zur Nutzung der neuen Formen von Kommunikation ist nicht
so sehr geboten, um mit der Zeit zu gehen, sondern vielmehr, um es dem unbegrenzten
Reichtum des Evangeliums zu ermöglichen, Ausdrucksformen zu finden, die in der Lage
sind, Verstand und Herz aller Menschen zu erreichen. In der digitalen Welt wird das
Wort oft von Bildern und Tönen begleitet. Eine wirkungsvolle Kommunikation wie die
Gleichnisse Jesu erfordert es, die Vorstellungskraft und emotionale Sensibilität jener
anzusprechen, die wir einladen wollen, dem Geheimnis der Liebe Gottes zu begegnen.
Im übrigen wissen wir, daß die christliche Tradition seit jeher reich an Zeichen und
Symbolen ist; ich denke z. B. an das Kreuz, an die Ikonen, an die Bilder der Jungfrau
Maria, an die Krippe, an die Glasfenster und Gemälde in den Kirchen. Ein erheblicher
Teil des künstlerischen Erbes der Menschheit wurde von Künstlern und Komponisten geschaffen,
die danach strebten, die Wahrheit des Glaubens zum Ausdruck zu bringen.
Die
Authentizität der Gläubigen in den social networks tritt deutlich zutage durch
das Mitteilen der tiefen Quelle ihrer Hoffnung und Freude – des Glaubens an Gott,
der voll Erbarmen und Liebe ist und der sich in Christus Jesus offenbart hat. Dieses
Mitteilen besteht nicht nur darin, den Glauben ausdrücklich zu bekunden, sondern auch
im Bezeugen des Glaubens, d. h. in der Art und Weise, in der man Entscheidungen, Vorlieben,
Urteile mitteilt, „die zutiefst mit dem Evangelium übereinstimmen, auch wenn nicht
explizit davon gesprochen wird“ (Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel,
2011). Eine besonders signifikante Weise, Zeugnis zu geben, ist der Wille, für
die Mitmenschen selbst da zu sein in der Bereitschaft, sich mit Geduld und Respekt
auf deren Fragen und Zweifel einzulassen auf dem Weg der Suche nach der Wahrheit und
nach dem Sinn des menschlichen Daseins. Daß in den sozialen Netzwerken das Gespräch
über den Glauben und das Glauben auftaucht, bestätigt die Bedeutung und die Relevanz
der Religion in den öffentlichen und gesellschaftlichen Debatten.
Für diejenigen,
die mit offenem Herzen das Geschenk des Glaubens angenommen haben, findet sich in
der Person Jesu Christi die radikalste Antwort auf die Fragen des Menschen nach der
Liebe, der Wahrheit und der Bedeutung des Lebens – Fragen, die wirklich nicht fehlen
in den social networks. Es ist natürlich, daß derjenige, der glaubt, voll Respekt
und Sensibilität den Wunsch hegt, den Glauben mit denen zu teilen, denen er in der
digitalen Welt begegnet. Wenn jedoch unser Mitteilen des Evangeliums gute Früchte
tragen kann, so geschieht das letztlich immer dank der dem Wort Gottes eigenen Kraft,
die Herzen zu berühren noch vor all unserem Bemühen. Das Vertrauen in die Kraft des
Handelns Gottes muß stets größer sein als alle Sicherheit, die man aus dem Gebrauch
menschlicher Mittel ableitet. Auch in der digitalen Welt, wo leicht zu hitzige und
polemische Stimmen zu hören sind und wo gelegentlich die Gefahr besteht, daß die Sensationslust
die Oberhand behält, sind wir zu einem sorgfältigen Urteil aufgerufen. Und denken
wir hier daran, daß Elias die Stimme Gottes nicht in einem starken, heftigen Sturm
erkannte, nicht in einem Erdbeben oder im Feuer, sondern in einem sanften, leisen
Säuseln (vgl. 1 Kön 19,11-12). Wir müssen auf die Tatsache vertrauen,
daß die Grundsehnsucht des Menschen, zu lieben und geliebt zu werden, Sinn und Wahrheit
zu finden – die Gott selbst ins Herz des Menschen gelegt hat –, auch die Frauen und
Männer unserer Zeit stets und in jeden Fall auf das hin offen hält, was der selige
Kardinal Newman das „milde Licht“ des Glaubens nannte.
Die social networks
können nicht nur ein Instrument der Evangelisierung, sondern auch ein Faktor menschlicher
Entwicklung sein. Zum Beispiel können in einigen geographischen und kulturellen Kontexten,
wo die Christen sich isoliert fühlen, die sozialen Netzwerke das Bewußtsein ihrer
wirklichen Einheit mit der weltweiten Gemeinschaft der Gläubigen stärken. Die Netzwerke
machen es leichter, spirituelle und liturgische Ressourcen zu teilen, und ermöglichen
es den Menschen, mit einem wieder gestärkten Bewußtsein von Nähe zu denen zu beten,
die denselben Glauben bekennen. Die authentische und interaktive Beschäftigung mit
den Fragen und Zweifeln jener, die fern sind vom Glauben, muß uns die Notwendigkeit
spüren lassen, mit Gebet und Reflexion unseren Glauben an die Gegenwart Gottes ebenso
zu nähren wie unsere tätige Nächstenliebe: „Wenn ich in den Sprachen der Menschen
und der Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine
lärmende Pauke“ (1 Kor 13,1).
Es gibt soziale Netzwerke, die in der
digitalen Welt dem Menschen von heute Gelegenheit bieten, zu beten, zu meditieren
und Gottes Wort miteinander zu teilen. Aber diese Netzwerke können auch die Tore zu
anderen Dimensionen des Glaubens öffnen. Viele Menschen entdecken in der Tat gerade
dank eines anfänglichen Online-Kontaktes, wie wichtig die direkte Begegnung ist, die
Erfahrung von Gemeinschaft oder auch von Pilgerschaft – stets wichtige Elemente auf
dem Glaubensweg. Wenn wir uns bemühen, das Evangelium in der digitalen Welt präsent
zu machen, können wir Menschen dazu einladen, Gebetstreffen oder liturgische Feiern
an konkreten Orten wie Kirchen oder Kapellen zu erleben. Es sollte nicht an Kohärenz
oder an Einheit fehlen im Ausdruck unseres Glaubens und in unserem Zeugnis für das
Evangelium unter den Gegebenheiten, in denen wir leben, seien diese nun physischer
oder digitaler Natur. Wenn wir für andere Menschen präsent sind, auf welche Weise
auch immer, so sind wir dazu aufgerufen, die Liebe Gottes bis an die äußersten Grenzen
der Erde bekannt zu machen.
Ich bete darum, daß der Geist Gottes euch stets
begleite und erleuchte. Zugleich segne ich euch alle von Herzen, so daß ihr wirklich
Herolde und Zeugen des Evangeliums sein könnt. „Geht hinaus in die ganze Welt und
verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15).
Aus dem Vatikan,
am 24. Januar 2013, dem Gedenktag des heiligen Franz von Sales