2013-01-23 14:37:10

Einheitswoche in Rom: „2. Vatikanum hat Ökumene einen Schub gegeben“


RealAudioMP3 Ökumenische Gottesdienste und Gebetstreffen, Vorträge und internationale Gäste – Pfarrer Jens-Martin Kruse von der Evangelisch-Lutherischen Christusgemeinde Rom kommt in diesen Tagen aus seinem Talar „kaum noch heraus“, wie er es selber ausdrückt. In der laufenden Gebetswoche für die Einheit der Christen haben wir den evangelischen Geistlichen in seiner Gemeinde in der Via Toscana nahe dem antiken römischen Stadttor „Porta Pinciana“ besucht. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Italien (ELKI) hat etwa 6.000 Mitglieder, alleine in Rom sind es an die 500.

Von Berührungsängsten der christlichen Kirchen ist in der Ewigen Stadt laut Kruse nichts zu spüren. Auf Gemeindeebene gebe es eine „sehr gut funktionierende, lebendige Ökumene“, erzählt der Pfarrer: „Das vermutet man oft nicht, wenn man den Namen Rom hört. Aber die Ökumene zwischen den Gemeinden und den Gemeindemitgliedern hat eine große Selbstverständlichkeit und eine hohe Verlässlichkeit. Und ich sage immer, es gibt wohl keinen Ort auf der Welt – vielleicht mit Ausnahme von Jerusalem – wo es so viel Ökumene gibt wie in Rom.“ Was wesentlich damit zusammenhängt, dass alle christlichen Kirchen in der Ewigen Stadt vertreten sind, „nicht nur die große römisch-katholische Kirche in ihrer ganzen Vielfalt, sondern auch alle Orthodoxen, alle Protestanten, alle Minderheiten, alle Orden“ – „eine ganz wunderbare Ausgangssituation für gute und gelingende Ökumene!“

Was im römischen Gemeindeleben im Alltag gelingt, ist auf weltkirchlicher Ebene allerdings oft noch eine Wunschvorstellung, beobachtet der evangelische Pfarrer: „Da scheint aus meiner Sicht im Moment eine gewisse Verzagtheit zu herrschen und ein bisschen Zurücknehmen. Das hängt zum einen sicherlich damit zusammen, dass wichtige Hauptfiguren, die die Ökumene über Jahrzehnte geprägt haben, immer mehr zurücktreten. Aber es hängt auch damit zusammen, dass sich die Kirchen auf Weltebene eher mit etwas Distanz gegenüberstehen und zum Teil nicht wissen, wie sie weiter miteinander umgehen können.“

Mehr Mut und mehr Vertrauen

Hier würde sich Kruse mehr Vertrauen wünschen, und auch mehr Mut. Vertrauen, wie es der Konzilspapst Johannes XXIII. hatte, der mit dem Zweiten Vatikanum die Ökumene entscheidend anschob: „Im festen Vertrauen darauf, dass das dem Willen Gottes entspricht, ohne genau wissen zu können, wie sich die Sache entwickelt.“ Und auch mehr Mut, so Kruse weiter – Mut zum gemeinsamen ökumenischen Handeln:

„Als Papst Paul VI. das Zweite Vatikanische Konzil beendet hat, übrigens zum ersten Mal mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern, da hat er – wie ich finde – einen ganz bewegenden Satz gesagt, rückblickend auf das Konzilsereignis und zu den Beobachtern des Konzils aus den anderen Kirchen: ,Wir haben wieder begonnen, uns zu lieben.’ Das ist ganz entscheidend: Wir müssen wieder stärker entdecken, dass wir gemeinsam zu der einen Kirche Christi gehören. Und dieses Wissen, das ist nicht nur eine Sache für den Kopf, sondern das muss im Herzen ankommen. Dann gehen wir auch anders miteinander um – nämlich mit Verständnis, mit Wohlwollen, mit dem Bemühen, beim anderen Gemeinsamkeiten zu entdecken und weniger das Trennende zu betonen.“

Die katholisch-evangelischen Freundschaften und Bekanntschaften, die sich aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil entwickelten – erstmals waren dort evangelische Konzilsbeobachter eingeladen – seien „ein ganz wesentlicher Baustein für die Ökumene“ nach dem Konzil gewesen, so Kruse: „Davon zehren wir noch heute.“ Allerdings seien Katholiken wie Protestanten heute gleichermaßen gefordert, sich innerlich noch mehr gegenüber dem anderen zu öffnen, meint Kruse: „Also, sowohl die Wahrnehmung des Zweiten Vatikanischen Konzils durch die evangelische Kirche, als auch die Wahrnehmung des sich anbahnenden Reformationsjubiläums 2017 durch die römisch-katholische Kirche sind ja nicht frei von Untertönen, die nachdenklich stimmen. Aussagen wie: ,Es gibt 2017 nichts zu feiern’ sind aus meiner Sicht eher unglücklich, weil sie natürlich auf evangelischer Seite zu Verletzungen führen, die unnötig sind, und Türen zuschlagen, die man wie ich glaube nicht zuschlagen müsste.“

Auch weil nach Ansicht des evangelischen Geistlichen „die großen theologischen Fragen“ in den vergangenen 50 Jahren weitestgehend geklärt worden seien - „in einer Weise, die es möglich macht, mehr Nähe auch zu leben. Sei es das Thema Abendmahl, sei es das Thema Sukzession, Amtsverständnis – da gibt es Differenzen, aber nach meinem Dafürhalten sind die nicht so gravierend, dass wir auf Dauer getrennt gegenüber stehen müssen, sondern wir können uns ein Stück weit mehr aufeinander zubewegen.“

Papst 2010 in der lutherisch-evangelischen Gemeinde in Rom

Der Papst hatte die Evangelisch-Lutherische Gemeinde Rom im März 2010 besucht und dort an einem evangelischen Gottesdienst teilgenommen: „Und er hat da ganz entscheidende Dinge gesagt, indem er uns darauf hingewiesen hat, wie schön das ist, das wir zusammen Gottesdienst feiern können und dass es wichtiger ist, das Gemeinsame in den Blick zu nehmen als ständig sich über das Trennende oder das, was noch fehlt, zu beklagen.“ Für Kruse spielt der deutsche Papst für die Ökumene eine „ganz entscheidende und herausragende Rolle“, Benedikt XVI. liege die Ökumene wirklich am Herzen:

„Wenn man hier in Rom den Papst aus der Nahperspektive erlebt, dann kriegt man ein anderes Bild von dem, was er eigentlich tagtäglich so tut, und es ist wichtig, das wahrzunehmen. Und dann sieht man eben, dass er immer wieder Akzente für die Ökumene setzt wie zuletzt bei dem Jugendtreffen von Taizé, bei dem gemeinsamen Gebet auf dem Petersplatz, wo er ganz klar unterstrichen hat, wie wichtig die Ökumene für die römisch-katholische Kirche ist. Also wenn ich den Papst erlebe, habe ich nicht das Gefühl, das sind einfach nur schöne Worte, sondern das ist ihm ein Herzensanliegen, und im Grunde genommen wäre es unsere Aufgabe als Vertreter der Kirchen, genau da anzusetzen und den Papst beim Wort zu nehmen und zu sehen, wie man auf diesem Weg ein Stück weiter kommen kann.“

Nach dem Gespräch geht’s für Pfarrer Kruse schon wieder zum nächsten Termin in der Gebetswoche: ein ökumenischer Gottesdienst mit Vertretern aller römischer Kirchen in der Gemeinde San Barnaba im Südosten der Stadt, geleitet vom römischen Kardinalvikar Agostino Vallini. Großen Abschluss der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen bildet dann am kommenden Freitag die ökumenisch gestaltete Vesper mit Papst Benedikt XVI. in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern. Dabei sind auch Vertreter der Anglikaner und des griechisch-orthodoxen Patriarchates. Radio Vatikan überträgt live und mit deutschem Kommentar.

(rv 23.01.2013 pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.