Christus in China.
Der Bischof von Shanghai Aloysius Jin im Gespräch mit Dominik Wanner und Alexa von
Künsberg. Eine Besprechung von Anne Preckel. Im Interviewbuch „Christus in
China“ von Dominik Wanner und Alexa von Künsberg äußert sich der chinesische Bischof
Aloysius Jin von Shanghai zum ersten Mal detailliert zu seinem eigenen Leben – und
das in deutscher Sprache. Der heute auf die 100 Jahre zugehende Bischof wurde während
des ersten Weltkriegs geboren, nachdem der letzte Kaiser von China abgedankt hatte
und die Republik ausgerufen wurde. Er besuchte eine von Jesuiten gegründete Eliteschule,
erlebte die goldenen 20er Jahre von Shanghai, die Invasion der Japaner und den Zweiten
Weltkrieg. Als Priester kam er in den 40er Jahren zum Studium nach Rom, erlebte den
Vatikan und das kriegsgezeichnete Europa. Nach seiner Rückkehr wurde er festgenommen,
verbrachte 27 Jahre im Gefängnis und in Gefangenenlagern und wurde nach seiner Freilassung
Bischof von Shanghai, was er bis heute ist.
Das Buch gibt Einblick in dieses
„Jahrhundertleben“, als ein Zeugnis ist es lesenswert. Unterbelichtet wird jedoch
– und gerade dazu wäre doch ein Gespräch mit Bischof Aloysius Jin Luxian Gelegenheit
gewesen – die schwierige Lage der chinesischen Christen, die zwischen staatstreuer
Kirche und romtreuem Untergrund tagtäglich vor der Zerreißprobe stehen. Jüngstes Beispiel
- nur eines von vielen - ist der Fall Thaddeus Ma Daqin. Der Geistliche wurde im Juli
2012 mit Billigung des Papstes zum Weihbischof von Schanghai geweiht. Während der
Messe sagte sich der Geistliche von der „Patriotischen Vereinigung“ los, die die Regimevorgaben
in der chinesischen Kirchenpolitik umsetzt. Der mutige Schritt, in seiner Radikalität
ungewöhnlich, hatte Folgen: Ma steht bis heute unter Hausarrest, die chinesische Bischofskonferenz
widerrief seine Weihe. In Augen des Vatikans war dies „Amtsmissbrauch“, der Heilige
Stuhl verwies bei dieser Gelegenheit nochmal darauf, dass er die chinesische Bischofskonferenz
nie anerkannt hat.
Bischof Jin wird von seinen Gesprächspartnern vor solch
heiklen Fragen verschont, ebenso wird nur am Rande erwähnt, dass er selbst Ehrenpräsident
der „Patriotischen Vereinigung“ ist: „In Shanghai ist es so, dass die ,Patriotische
Vereinigung‘ unter mir steht. Ich bin hier der Boss. Damit können Sie schon mal für
ihre Leser im Ausland festhalten: Es gibt in China keine patriotische Kirche“ - dies
kann er im Buch ohne weiteres Nachfragen sagen. Dass er selbst im Jahr 2005 nicht
zur Weltbischofssynode in den Vatikan reisen durfte, scheint er nicht sehr hoch zu
hängen: Immerhin sei die chinesische Regierung inzwischen ja „so tolerant, dass wir
fast alles machen können. Wir dürfen schon eine Abendschule betreiben, aber keine
Universität eröffnen. Wir können Zeitschriften verlegen, aber noch keine Tageszeitung“.
Dass der Bischof dann noch bedauert, der Vatikan habe „bis vor kurzer Zeit“ nur die
Untergrundkirche unterstützt, auch „mit großen finanziellen Mitteln“, aber nicht die
„Offizielle Kirche“ Chinas, stiftet weitere Verwirrung - auch darüber, wo der Geistliche
eigentlich steht.
Die Spaltung der chinesischen Kirche scheint so mitten durch
das Leben von Bischof Aloysius Jin zu verlaufen. Widersprüche sind interessant, sie
können etwas lehren, aber sicher nicht, wenn nachdrückliche Fragen gar nicht gestellt
werden und wenn Einordnungen fehlen. Die informativen Begriffsklärungen von Thomas
Zimmer in den begleitenden Textfeldern im Buch können die fehlenden Bezüge leider
auch nicht herstellen.
Erschienen bei Herder 2012. Mit einem Vorwort von Erzbischof
Gerhard Ludwig Müller. Kosten 15,99 Euro.