Benedikt XVI.: „Christliche Hilfe muss christliche Form haben“
Ja zum christlichen
Menschenbild, Nein zu neuen Ideologien – das war der Tenor einer großen Rede des Papstes
an diesem Samstag. Im Vatikan empfing er die Vollversammlung des Päpstlichen Hilfswerks
Cor Unum.
„Der Glaube an das Evangelium gibt der Caritas eine typisch christliche
Form – sie wird zum Unterscheidungsmerkmal des Christlichen. Ein Christ, der im karitativen
Bereich tätig ist, muss sich an den Prinzipien des Glaubens orientieren, wir machen
uns durch sie den Blickwinkel Gottes zu eigen. Diesen neuen Blick auf die Welt und
auf den Menschen bietet der Glaube.“
Mit diesem neuen Blick ließen sich
auch Verirrungen im Bereich Caritas und Entwicklungshilfe korrigieren, führte der
Papst aus. Zu allen Zeiten sei der Mensch „Opfer kultureller Versuchungen geworden,
die ihn letztlich zum Sklaven gemacht haben“:
„In den letzten Jahrhunderten
haben sich die Ideologien, die den Kult der Nation, der Rasse oder der sozialen Klasse
pflegten, als wahre Götzendienste erwiesen. Und dasselbe läßt sich vom wilden Kapitalismus
mit seinem Kult des Profits sagen, aus dem sich Krisen, Ungleichheit und Elend ergeben
haben. Zu den Schatten, die heute den Heilsplan Gottes verdunkeln, zähle ich vor allem
die tragische Verkürzung des Menschenbildes, die den alten, hedonistischen Materialismus
wiederbelebt. Zu ihm gesellt sich ein technologischer Prometheismus.“
Prometheus
– das war in der griechischen Sage der Titan, der den Göttern das Feuer raubte, um
es den Menschen zu bringen. Goethe betont in seinem Gedicht „Prometheus“ den Aufstand
gegen die Götter und die Überzeugung des Menschen, auch ohne Gott oder Götter auszukommen.
„Aus
dem Zusammenspiel eines materialistischen Menschenbilds mit einem großen technologischen
Fortschritt erwächst eine Anthropologie, die im Kern atheistisch ist. Sie reduziert
den Menschen auf autonome Funktionen, den Geist aufs Gehirn, die menschliche Geschichte
auf ein Schicksal der Selbstverwirklichung. Das alles will ohne Gott auskommen, ohne
die spirituelle Dimension, ohne den Horizont der Transzendenz. Für einen Menschen
ohne Seele, also ohne persönliche Beziehung zum Schöpfer, wird alles, was technisch
möglich ist, auch moralisch erlaubt – jedes Experiment scheint akzeptabel, jede Bevölkerungspolitik
richtig, jede Manipulation legitim.“
Der Mensch setzt sich absolut
Das
Schlimmste sei, dass dieses Menschenbild de facto dazu führe, dass sich der Mensch
absolut setze. Das sei „eine radikale Verneinung der Geschöpflichkeit und Sohnschaft
des Menschen“ und könne nur in „dramatischer Einsamkeit“ enden, so Benedikt XVI.
„Dass
wir bei Entwicklung und Förderung des Menschen gerechterweise mit internationalen
Instanzen zusammenarbeiten, darf nicht dazu führen, dass wir vor diesen schwerwiegenden
Ideologien die Augen verschließen. Die Hirten der Kirche haben die Pflicht, nicht
nur die Katholiken, sondern alle Menschen guten Willens und gesunder Vernunft vor
diesen Verirrungen zu warnen! Es handelt sich nämlich um eine negative Verirrung des
Menschen, selbst wenn sie sich mit guten Gefühlen tarnt und das Banner des angeblichen
Fortschritts, angeblicher Rechte oder eines vorgeblichen Humanismus schwenkt. Mit
Sicherheit müssen wir eine kritische Kontrolle walten lassen und manchmal Geldmittel
und Zusammenarbeit auch verweigern, wenn sie – direkt oder indirekt – Taten oder Projekte
fördern, die dem christlichen Menschenbild widersprechen.“
Ja! zum
Menschen
Der Papst wendete das aber noch einmal ins Positive: Der Kirche
gehe es um ein Ja zum Menschen, dem Heilsplan Gottes entsprechend, „um seine ganze
Würde, um den Respekt sowohl seiner vertikalen wie seiner horizontalen Dimension“.
„Das christliche Bild vom Menschen ist ein großes Ja zur Würde der Person,
die zur intimen Gemeinschaft mit Gott gerufen ist, einer familiären, vertrauensvollen
Gemeinschaft. Das menschliche Wesen ist nicht auf sich selbst gestellt und geht auch
nicht anonym in der Masse auf, sondern es ist einmalige und unwiederholbare Person.
Darum betont die Kirche auch ihr großes Ja zur Würde und Schönheit der Ehe als Ausdruck
eines treuen und fruchtbringenden Bundes zwischen Mann und Frau. Ihr Nein zur „gender“-Philosophie
rührt von der Tatsache her, dass die Gegenseitigkeit des Männlichen und des Weiblichen
Ausdruck der Schönheit der Natur ist, wie der Schöpfer sie gewollt hat.“