Note der Vertretung des Heiligen Stuhls beim Europarat
Zusammenfassung der Note des Ständigen Vertreters des Heiligen Stuhls beim Europarat
über die „Freiheit und institutionelle Autonomie der katholischen Kirche“, anlässlich
der Untersuchung zweier Fälle von dem Europäischen Menschengerichtshof.
Was
ist der Anlass? Es geht um zwei Fälle, die vor dem Gericht verhandelt werden,
einer betrifft Rumänien, der zweite Spanien.
Der Europäische Menschengerichtshof
muss entscheiden, ob die jeweilige Staatsgewalt die Europäische Konvention der Menschenrechte
respektiert hat, als sie sich weigerte, eine Gewerkschaft von Priestern anzuerkennen
(der rumänische Fall), und einen Lehrer, der öffentlich die Kirchenlehre in Frage
gestellt hat, als Religionslehrer einzustellen (der spanische Fall). In beiden Fällen
wurden die Versammlungsfreiheit und die Redefreiheit herangezogen um zu erzwingen,
dass die Kirche gegen ihr eigenes Recht handle. Daher ist in beiden Fällen die Freiheit
der Kirche verletzt worden, nach ihren eigenen Regeln zu handeln, und keinen zivilen
Gesetzen zu unterliegen, außer jenen die zur Wahrung der öffentlichen Ordnung nötig
sind. Das Rechtsprinzip der institutionellen Autonomie der religiösen Gemeinschaften
ist von fast allen Staaten anerkannt und im Völkerrecht verankert. Dennoch ist es
nützlich an dieses Prinzip zu erinnern und es zu verteidigen.
Um zu klären
was die Freiheit der Kirche ausmacht hat die Ständige Vertretung des Heiligen Stuhls
beim Europarat eine Notiz verfasst, die die Position der Kirche in 4 Prinzipien erläutert:
1. die Unterscheidung zwischen Kirche und Staat, 2. Die Freiheit im Hinblick
auf den Staat, 3. Die Freiheit innerhalb der Kirche und 4. Der Respekt der rechten
öffentlichen Ordnung.
1. Die Unterscheidung zwischen Kirche und dem Staat
(politische Gemeinschaft)
Die Kirche erkennt die fundamentale Unterscheidung
und Teilung der Aufgaben zwischen ihr und der politischen Gemeinschaft (Staat) an.
Sie sieht, dass der Staat die beste Institution ist, um das Allgemeinwohl zu sichern
und allen eine würdige menschliche Existenz zu gewährleisten. Sie selbst wurde jedoch
gegründet um die Gläubigen auf ihre ewige Bestimmung hinzuführen. Diese Teilung beruht
auf den Jesuswort „Gebt Caesar was Caesars ist, und Gott was Gottes ist“. In den meisten
Gebieten sind die Aufgaben der Kirche und die politische Gemeinschaft also getrennt.
Wo allerdings sowohl spirituelle als auch irdische Dinge betroffen sind wie die Ehe
und die Erziehung der Kinder, da fordert die Kirche, dass der Staat seine Rolle nicht
zum Schaden des spirituellen Wohls der Gläubigen ausübt. Andererseits endet die Freiheit
der Kirche bei der Wahrung der öffentlichen Ordnung.
2. Die Freiheit
im Hinblick auf den Staat
Die Kirche fordert vom Staat den Respekt
und Schutz ihrer Freiheit, damit sie ihre Mission in einer pluralistischen Gemeinschaft
erfüllen kann. Diese Mission hat sie von Jesus bekommen, somit dar der Staat die Kirche
nicht an der Erfüllung ihrer Aufgabe behindern. Das betrifft sowohl die institutionelle
Organisation der Kirche wie die Ausführung ihres Ministeriums.
3. Die
Freiheit innerhalb der Kirche
Die Kirche schätzt den fundamentalen
Wert der menschlichen Freiheit und unterstreicht, dass jeder Mensch mit Intelligenz
und Willensfreiheit ausgestattet wurde. Die Normen, die die Kirche vorschreibt, sind
nur zur Wahrung der Freiheit vorgesehen. Auch deshalb setzt ein religiöser Akt um
rechtmäßig zu sein die Freiheit des Schaffenden voraus. Diese Freiheit ist an die
Wahrheit gekoppelt („Die Wahrheit wird euch frei machen“ Johannes 8,32). Sie kann
nicht als Rechtfertigung für einen Angriff auf die Wahrheit verwendet werden. So kann
ein Gläubiger (ob Laie oder Geistlicher) sich nicht auf seine Freiheit berufen um
den Glauben in Frage zu stellen (z.B. öffentlich Position gegen die Autorität der
Kirchen beziehen) oder um die Kirche zu untergraben (z.B. durch die Gründung einer
Priestergewerkschaft gegen den Willen der Kirche). Allerdings hat jede Person das
Recht die Kirchenautorität in Frage zu stellen und die dafür vorgesehenen Mittel des
Kirchenrechts zu benutzen und auch die Option des Kirchenaustritts zu wählen. Da die
Beziehungen innerhalb der Kirche aber in erster Linie spirituell sind, ist es nicht
Aufgabe des Staates, hier vermittelnd einzugreifen.
4. Der Respekt der
rechten öffentlichen Ordnung
Die Kirche erkennt die Verantwortlichkeit
des Staates für die Wahrung der öffentlichen Ordnung an. Diese bezieht die religiöse
Gemeinschaft und ihr Wirken mit ein und zeigt somit auch die Grenze ihrer Autonomie
auf. Es müssen sowohl die religiösen Freiheiten des Einzelnen und der Gemeinschaft
gewahrt werden, wie auch das allgemeine Wohl und die Zusammengehörigkeit der Gesellschaft.