2013-01-05 11:57:02

„Echte Reformen schrauben nicht den Sozialstaat zurück“


Trotz der Wirtschaftskrise dürfen die Reformer in Europa jetzt nicht den Sozialstaat zu stark stutzen. Das fordert der Vatikanbischof Mario Toso, zweiter Mann des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. Bei einem Vortrag in Rom rief er zum Sturz eines, so wörtlich, „neoliberalen Kapitalismus“ auf, „der von einer radikal-libertären und konsumistischen Ideologie geprägt ist“. Stattdessen werde „ein neuer, ethischer Kapitalismus“ gebraucht. „Echte Politik zielt auf die umfassende Verwirklichung des Menschen“, erklärt der Vatikanbischof im Gespräch mit Radio Vatikan.

„Selbst wenn die Parteien ihre je eigene Sicht auf die Dinge haben, dürfen sie doch diesen Horizont des umfassenden menschlichen Guts aus den Augen verlieren. Echte Reform – denn von Reformen reden heute ja alle – gelingt, wenn sie soweit wie möglich auf eine Balance von Rechten und Pflichten des Menschen setzt. Wo man aus taktischen oder aus Koalitionsgründen an irgendwelche Grundrechte rührt, bleiben echte Reformen stecken.“

Geht das noch konkreter? Gerne, sagt Toso – und erinnert, wie schon Papst Benedikt in seiner Neujahrsbotschaft, an ein Recht jedes Menschen auf Arbeit. „Arbeit ist ein grundlegendes Gut, nicht nur eine Option, so wie die neue Doktrin des ungeregelten Finanzkapitalismus uns glauben machen will. Darum bleibt es richtig, aktiv Arbeit für alle anzustreben! Und darum darf die Politik nicht auf ein Zurückfahren des Sozialstaates abzielen, sie darf nicht an die sozialen Rechte rühren – sonst wachsen die Ungleichheiten in der Gesellschaft, und die demokratische Teilhabe wird geschwächt.

Genausowenig darf man Wachstumspolitik gegen Sozialpolitik ausspielen. Natürlich muss Verschwendung verhindert werden, und Investitionen in Forschung und Innovation sind nötig, sonst gibt es kein Wachstum und keinen nationalen Reichtum. Darum darf man sie definitiv nicht zum Haushaltsdefizit zählen.“ Diese Haltung des Vatikanbischofs ähnelt dem, was Mario Monti und Francois Hollande auf dem letzten Brüsseler EU-Gipfel vertreten haben.

(rv 05.01.2013 sk)








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