Ägyptischer Bischof: „Wir brauchen eine neue Revolution!”
Im Januar vor zwei
Jahren begannen die Umbrüche in Ägypten: Massendemos auf dem Tahrir-Platz von Kairo,
Rücktritt von Präsident Mubarak, Frühlingsgefühle. Seitdem ist Ernüchterung eingekehrt,
zumindest bei den Christen, die ungefähr zehn Prozent der ägyptischen Bevölkerung
ausmachen. Der koptisch-katholische Bischof von Assiut, Kyrillos William, sagt im
Interview mit Radio Vatikan:
„Seit der Revolution vom 25. Januar 2011 träumten
eigentlich alle von einer besseren Zukunft für Ägypten, mit mehr Rechten und Demokratie.
Die jungen Leute, die – egal, ob Muslime oder Christen – auf den Plätzen zusammen
demonstrierten, haben auch zusammen gebetet und zusammen nach Demokratie gerufen.
Das alles ist mittlerweile, wie wir sehen, auf der Strecke geblieben. Was wir sehen,
ist, dass extremistische Muslime an die Macht gelangt sind, weil sie – anders als
die jungen Demonstranten – gut organisiert sind und über Anführer verfügen. Jetzt
bleibt uns nur, einfach auf das, was da noch so kommt, zu warten – mit Gottvertrauen,
aber auch mit Vertrauen in die jungen Leute, die die Ideale ihrer Revolution nicht
aufgegeben haben! Vielleicht kommen ja von ihrer Seite neue Umbrüche?“
Der
Bischof, der auch für den erkrankten katholischen Patriarchen von Alexandria die Amtsgeschäfte
führt, äußert sich nicht dazu, dass Oppositionskräfte kürzlich sogar mit Vertretern
des alten Mubarak-Regimes gemeinsame Sache gemacht haben: als es nämlich darum ging,
die von den Islamisten getextete Verfassung zu bekämpfen. Die Verfassung wurde per
Volksabstimmung Ende Dezember angenommen, doch für Bischof Kyrillos William steht
fest:
„So wie jetzt können wir nicht weitermachen, weil die Verfassung nicht
die ganze ägyptische Bevölkerung repräsentiert. Das Komitee, das diesen Text geschrieben
hat, hat seine Sicht der Dinge durchgesetzt; die Christen haben zunächst noch versucht,
da noch etwas mehr Gleichgewicht hineinzubringen, mußten dann aber aufgeben und haben
sich konsequenterweise ganz aus dem Gremium zurückgezogen. Sie wollten nicht zu Komplizen
werden bei einer Verfassung, die nicht das bringt, wovon die Ägypter träumen.“
Wie
könnte aus seiner Sicht eine Lösung für Ägypten aussehen? Die Antwort überrascht etwas
aus dem Munde eines katholischen Bischofs:
„Die einzige Lösung ist eine
neue Revolution! Eine Revolution im Sinne des 25. Januars vor zwei Jahren. Darauf
warten wir. Es muss sich etwas ändern. Schließlich hat sich mittlerweile herausgestellt,
dass die Muslimbrüder nicht die Kompetenz haben, ein so großes Land zu führen. Im
Moment herrscht ziemliche Verwirrung, die Dinge sind nicht sehr klar. Dabei bräuchte
Ägypten jetzt vor allem eine kompetente Wirtschaftspolitik von erfahrenen Leuten.“
Die
ägyptische Wirtschaft steht vor dem Zusammenbruch, eines von vielen Problemen, denen
man sich im Jahr zwei der Revolution am Nil gegenübersieht. Der Bischof von Assiut
hofft, dass 2013 zumindest der heikle innere Friede im Land gewahrt werden kann.
„Wir
werden dieses Jahr zum zweiten Mal überhaupt einige Tage lang gemeinsame Gebete mit
unseren muslimischen Brüdern und allen christlichen Konfessionen abhalten. Wir beten
dabei, am Freitag hier in unserer Kathedrale, um den Frieden. Dabei greifen wir das
Thema auf, das der Heilige Vater dem Welttag des Friedens gegeben hat: Selig, die
Frieden stiften! Eingeladen sind Orthodoxe, Protestanten und Muslime – letztes Jahr
waren diese Gebete wirklich sehr, sehr bewegend, und ich glaube, das wird dieses Jahr
ähnlich sein.“