Benedikt XVI.: „Wo Gott geleugnet wird, da gibt es keinen Frieden“
„Beten wir
in dieser Stunde für die Menschen, die heute (in Bethlehem) leben und leiden. Beten
wir darum, dass dort Friede sei. Beten wir darum, dass Israelis und Palästinenser
im Frieden des einen Gottes und in Freiheit ihr Leben entfalten können. Beten wir
auch für die umliegenden Länder, für den Libanon, für Syrien, den Irak und so fort:
dass dort Friede werde.“
Bethlehem war das Zentrum der Christmette, die
Papst Benedikt XVI. an diesem Montag im Petersdom feierte, und zwar das biblische
wie das reale. Bereits am Nachmittag hatte der Papst sein Friedenslicht am Licht von
Bethlehem angezündet, seitdem brennt es im Fenster seines Arbeitszimmers. In seiner
Predigt nahm der Papst immer wieder Bezug auf den Ort der Menschwerdung, und das auch
metaphorisch: Wir sollten aus einem selbstbezogenen Denken hinaus und hinübergehen
nach Bethlehem zum menschgewordenen Gott. Angesichts der überfüllten Herbergen, die
Josef und Maria auf ihrem Weg nach Bethlehem nicht aufnehmen konnten, müssten wir
uns auch selber fragen, ob wir denn für Gott bereit wären.
Warnung vor
einer Welt, die Gott vergessen hat
„Das beginnt damit, dass wir
keine Zeit für ihn haben. Je schneller wir uns bewegen können, je zeitsparender unsere
Geräte werden, desto weniger Zeit haben wir. Und Gott? Die Frage nach ihm erscheint
nie dringend. Unsere Zeit ist schon angefüllt. Aber die Dinge gehen noch tiefer. Hat
Gott eigentlich Platz in unserem Denken? Die Methoden unseres Denkens sind so angelegt,
dass es ihn eigentlich nicht geben darf. Auch wenn er anzuklopfen scheint an die Tür
unseres Denkens, muss er weg-erklärt werden. Das Denken muss, um als ernstlich zu
gelten, so angelegt werden, dass die „Hypothese Gott“ überflüssig wird. Es gibt keinen
Platz für ihn. Auch in unserem Fühlen und Wollen ist kein Raum für ihn da. Wir wollen
uns selbst. Wir wollen das Handgreifliche, das fassbare Glück, den Erfolg unserer
eigenen Pläne und Absichten. Wir sind mit uns selbst vollgestellt, so dass kein Raum
für Gott bleibt.“
Das habe weitreichende Folgen: Kein Platz für Gott bedeute
immer auch kein Platz für die Kinder, die Armen, die Kranken, so der Papst. Paulus
spreche deswegen von der „Erneuerung des Denkens“, dem „Aufbrechen unseres Verstandes“.
Das bedeute ein wach werden für seine Gegenwart und ein Gott erkennen, in den Leidenden
und Verlassenen, den Ausgestoßenen und den Armen. Dieser Gott sei es, der von den
Engeln gelobt würde.
Warnung vor dem Missbrauch von Religion
Mit
der Herrlichkeit in der Höhe, die die Engel in Bethlehem verkündeten, hänge der Friede
auf Erden unter den Menschen zusammen, so der Papst. Wo Gott nicht in Ehren stehe
und vergessen oder gar geleugnet werde, da gebe es auch keinen Frieden. Hier erführen
das Christentum und alle monotheistischen Religionen Widerstand, sie würden vielfach
für Gewalt und Krieg verantwortlich gemacht. Um Frieden zu schaffen – so diese Denkströmungen
– müsse die Welt von Religion befreit werden.
„Nun ist wahr, dass in der
Geschichte der Monotheismus als Vorwand für Intoleranz und Gewalt gedient hat. Wahr
ist, dass Religion erkranken und so sich ihrem tieferen Wesen entgegenstellen kann,
wenn der Mensch meint, selbst die Sache Gottes in die Hand nehmen zu müssen und so
Gott zu seinem Privateigentum macht. Gegen diese Verzerrungen des Heiligen müssen
wir wachsam sein.“
Daraus folge aber nicht, dass ein Nein zu Gott automatisch
Frieden bringen würde, so der Papst.
„Wenn das Licht Gottes erlischt, erlischt
auch die göttliche Würde des Menschen. Dann ist er nicht mehr Gottes Ebenbild, das
wir in jedem, im Schwachen, im Fremden, im Armen in Ehren halten müssen. Dann sind
wir nicht mehr alle Brüder und Schwestern, Kinder des einen Vaters, die vom Vater
her einander zugehören. Welche Arten von anmaßender Gewalt dann erscheinen, wie dann
der Mensch den Menschen missachtet und zertritt, das haben wir in seiner ganzen Grausamkeit
im vergangenen Jahrhundert gesehen. Nur wenn das Licht Gottes über den Menschen und
in ihm leuchtet, nur wenn jeder einzelne Mensch von Gott gewollt, gekannt und geliebt
ist, nur dann ist seine Würde unantastbar, wie armselig seine Situation auch immer
sein mag.“
Gebet für den Nahen Osten
So habe es durch
die Geschichte hindurch immer wieder sichtbaren Glauben an Gott gegeben, von dem Versöhnung,
Güte und Frieden ausgegangen sei. Hier sei die Botschaft des Friedensbringers Christus
erfahrbar. Und dieser Friede sei nicht abstrakt, der Wunsch nach Frieden sei sehr
konkret, so der Papst:
„Wie sollten wir nicht in dieser Stunde zu ihm beten:
Ja, Herr, künde uns auch heute Frieden, den Fernen und den Nahen. Gib, dass auch heute
Schwerter in Pflugscharen umgewandelt werden (Jes 2, 4), dass anstelle von Kriegsrüstung
Hilfe für die Leidenden trete.“
Für die Verwirklichung all dessen – des
Friedens wie auch der Umformung des Denkens – müsse man es den Hirten gleichmachen:
Man müsse aufbrechen und hinübergehen nach Bethlehem, zu Christus.
„Eine
heilige Neugier trieb sie, dieses Kind in einer Futterkrippe zu sehen, über das doch
der Engel gesagt hatte, dass es der Retter, der Gesalbte, der Herr sei. Lasst
uns hinübergehen nach Bethlehem, so sagt die Liturgie der Kirche heute zu uns. Trans-eamus
heißt es in der lateinischen Bibel: hinüber-gehen, den Überschritt, das „Trans“ wagen,
mit dem wir aus unseren Denk- und Lebensgewohnheiten herausgehen und die bloß materielle
Welt überschreiten auf das Eigentliche hin, hinüber zu dem Gott, der seinerseits zu
uns herübergekommen ist.“
„Eilbedürftige Wichtigkeiten“
Dazu
müssten wir es aber auch den Hirten gleichtun, was die Prioritäten in unserem Handeln
betreffe, so der Papst.
„Die Hirten eilten. Heilige Neugier und heilige
Freude trieb sie. Bei uns kommt es wohl sehr selten vor, dass wir für die Dinge Gottes
eilen. Gott gehört heute nicht zu den eilbedürftigen Wirklichkeiten. Die Dinge Gottes
haben Zeit, so denken und sagen wir. Bitten wir ihn, dass die heilige Neugier und
die heilige Freude der Hirten in dieser Stunde auch uns anrühren, und gehen wir so
freudig hinüber nach Bethlehem – zum Herrn, der auch heute neu zu uns kommt. Amen.“