Nur eine knappe Mehrheit der Wahlberechtigten hat bei der ersten Runde der Volksabstimmung
für die neue Verfassung gestimmt. Das ergeben erste Schätzungen und Hochrechnungen.
Die Zahlen sind weit entfernt von dem ursprünglich vermuteten eindeutigen Sieg der
Islamisten. Diese hatten sich für ein Ja zu der von ihren politischen Gruppen entworfenen
Verfassung eingesetzt. Die Partei der Muslimbrüder, aus der Präsident Mohamed Mursi
kommt, sprach am Sonntag von 56,5 Prozent für die Verfassung; ähnlich äußerte sich
eine Oppositionspartei auf Facebook. Andere Oppositionsgruppen widersprachen. Säkulare
und koptische Gruppen, die in den letzten Wochen heftig gegen den Text demonstriert
hatten, waren für ein „Nein“ zur Verfassung eingetreten; ursprüngliche Boykottpläne
hatte sie letzten Endes verworfen. Abgestimmt wurde am Samstag in zehn Provinzen,
darunter Kairo und Alexandria; eine zweite Runde findet am nächsten Samstag in den
17 restlichen Provinzen statt. Das Referendum vom Samstag war von neuerlicher Gewalt
in Kairo und Alexandria überschattet. Anhänger der Opposition warfen der Muslimbruderschaft
Fälschung vor. Muslimbrüder hätten in Wahllokalen dazu aufgerufen, mit Ja zu stimmen.
An die Wähler seien Zucker, Öl und Tee verteilt worden. Liberale, Säkulare, Christen
und andere Kritiker beklagen, das im Wesentlichen von Muslimbrüdern formulierte Grundgesetz
gebe dem islamischen Recht, der Scharia, zu viel Raum. (rv/afp 16.12.2012 sk)