Ägypten: Christen werden das Referendum nicht boykottieren
Die christlichen Kirchen
in Ägypten werden ihre Gläubigen nicht zum Boykott des für diesen Samstag geplanten
Referendums aufrufen. Das bestätigt Bischof Kyrillos William von Assiut im Anschluss
an das Treffen der Delegation der katholischen Glaubensgemeinschaften in Ägypten mit
dem koptisch-orthodoxen Patriarchen Tawadros II. an diesem Donnerstag im Radio Vatikan
Interview. Die Gläubigen sollten ihre Stimme abgeben und nach ihrem Gewissen entscheiden,
denn das ägyptische Wahlrecht sieht vor, dass das Referendum mit der Mehrzahl der
abgegebenen Stimmen entschieden wird. Sorge bereitet dem Bischof die große Anzahl
der ungebildeten Menschen in seinem Land, die unter Umständen die Auswirkungen ihrer
Stimmabgabe nicht verstünden. Doch in jedem Fall positionierten sich die christlichen
Kräfte im Land für eine noch engere Zusammenarbeit in der ungewissen Zukunft.
Sie
haben an diesem Donnerstag Nachmittag den Patriarchen Tawadros II. getroffen, wie
ist das Gespräch denn verlaufen?
„Das Gespräch mit Tawadros II. war sehr
gut. Ich habe gerade einen Anruf von einigen Laien erhalten, die mit uns dabei waren.
Sie haben sich für das gute Treffen und den Empfang herzlich bedankt. Wir waren eine
Delegation von 40 Leuten, als Vertreter der katholischen Kirchen in Ägypten und waren
eine Stunde lang bei ihm. Tawadros II. hat sehr gelobt, was die katholische Kirche
in Ägypten macht. Er weiß gut Bescheid und hat viele Kontakte. Er hat auch gewünscht,
dass die diese Treffen sich wiederholen, vielleicht auch in kleineren oder in größeren
Gruppen. Wir haben auch über den Rat der Kirchen in Ägypten gesprochen. Es war wirklich
sehr ermutigend.“
Gibt es denn konkrete Ergebnisse für eine zukünftige noch
engere Zusammenarbeit unter den Christen?
„Wir haben ganz konkret über
den Rat der Kirchen in Ägypten gesprochen. Er [Tawadros II., N.d.R.] weiß Bescheid,
dass die Statuten fast fertig sind und er hat versprochen, dass er bei der nächsten
Sitzung des Rates dabei sein wird und wir mit der Arbeit anfangen werden, damit wir
eine Stimme für alle Christen in Ägypten bilden können und von beiden Seiten aus viele
gemeinsame Aktivitäten organisieren können.“
Die Situation in Ägypten ist
ja gerade sehr instabil, am Samstag wird über den sehr umstrittenen Verfassungsentwurf
abgestimmt werden. Sie haben ja bereits Ihre Glaubensbrüder und –schwestern aufgerufen,
beim Referendum abzustimmen und nach dem Gewissen zu entscheiden. Haben denn alle
katholischen Kirchen jetzt eine gemeinsame Position dazu?
„Nicht nur alle
katholischen Kirchen, sondern alle Christen gemeinsam mit vielen anderen gesellschaftlichen
liberalen Gruppierungen, die nicht zufrieden mit der Verfassung sind. Wir haben uns
aber dazu entschieden, zur Wahl zu gehen, denn ein Boykott bringt in unserem Land
nichts. Jeder gibt seine eigene Stimme ab, alle sind reif und wissen Bescheid. Wir
sind gespannt, was die Ergebnisse sein werden, denn nicht wenige sind gegen diese
Verfassung.“
Was haben Sie denn für Kontakte mit den Muslimbrüdern in diesen
Tagen, in diesen Stunden? Haben die sich jetzt gesprächsbereiter gezeigt, oder haben
sie das Gefühl, sie gehen stur auf ihrem eigenen Weg weiter?
„Leider gibt
es keine Gespräche. Zur Zeit gibt es starke Spannungen. Es sind zwei Gruppierungen,
die Islamisten und die Liberalen. Einige der Muslimbrüder haben der Opposition sogar
vorgeworfen, sie sei nur aus Christen zusammengesetzt, aber das ist nicht wahr. Es
gibt auch eine große Opposition von Seiten der Muslimbrüder selbst, aus dem moderaten
Lager.“
Was kann man sich nun erwarten, sollte die Verfassung gewinnen?
Wir wissen ja leider, dass viele Menschen gerade in ländlichen Gebieten ungebildet
sind und vielleicht die Auswirkungen ihrer Stimmabgabe nicht verstehen. Wie sehen
Sie die Situation?
„Das ist wirklich unsere große Sorge, dass die Analphabeten
und einfachen Leute sich beeinflussen lassen. Die Ergebnisse werden nicht widerspiegeln,
was die Ägypter wirklich denken. Wir werden sehen, was kommt, das können wir nicht
voraussagen.“
Sehen Sie es denn im Nachhinein als Fehler an, dass die Christen
und andere gesellschaftliche Gruppen die Verfassungsversammlung verlassen haben, beziehungsweise
hätte man da mehr tun müssen?
„Nein, das konnte man nicht. Es war ganz
klar und deutlich, dass die anderen Gruppierungen keinen Einfluss hatten und die Islamisten
machten, was sie wollten, ob mit oder ohne diese Gesellschaftsvertreter in der Versammlung.
Aber wir haben weiterhin Hoffnung, wir warten und beten und wir werden bis zum letzten
Moment unsere Meinung kundtun.“