Die Hungerkrise ist
schlimmer als die Finanzkrise, schreibt Papst Benedikt XVI. u.a. in seiner Friedensbotschaft
2013, die an diesem Freitag vorgestellt wurde. Das könne man insbesondere in der Sahelzone
sehen, sagt gegenüber Radio Vatikan der Sekretär des Päpstlichen Rates „Cor Unum“,
Giovanni Pietro dal Toso. Er ist besonders für die Päpstliche Stiftung für die Sahelzone
zuständig. Mit dem Thema „Armut“ hat sich auch das Projekt der europäischen öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten EBU auseinandergesetzt. Unter der Themenreihe „Why poverty?“ werden
seit Ende November Interviews und Sendungen dazu veröffentlicht. Mario Galgano hat
dal Toso gefragt, was er von solchen Medienprojekte hält.
„Die Initiative
der europäischen Rundfunkanstalten ist sehr positiv zu bewerten. Wir merken auch immer
mehr, dass der Erziehungsfaktor sehr wichtig für unsere Gesellschaft ist. Wir sollen
also unsere Augen für die Tatsache öffnen, dass Armut ein wachsendes Problem ist und
nicht etwas ist, was weit entfernt von uns liegt. Ich war vor wenigen Tagen in Brüssel.
Dort wurde die Problematik der sozialen Ausgrenzung von Familien behandelt. Gerade
die derzeitige Krise verursacht solche Ausgrenzungen. Deshalb ist eine allgemeine
Aufmerksamkeit für diese Fragen sehr wichtig.“
Aber warum gibt es eigentlich
Armut? Diese Frage stellen die öffentlich-rechtlichen Sender in den Mittelpunkt ihres
Jahresprojekts. Dazu Monsignor dal Toso:
„Armut ist natürlich ein sehr vielschichtiges
Problem. Sie hat verschiedene Gründe und verschiedene Erscheinungen. Armut hat es
in der Geschichte immer gegeben. Wenn wir heute auf unsere Welt schauen, ist es natürlich
äußerst wichtig, dass wir wieder eine Aufmerksamkeit für dieses Phänomen erwecken.
Wir müssen auch auf die verschiedenen Formen von Armut aufmerksam werden. Das betrifft
die Lage bei uns, aber auch die Situation in anderen Kontinenten.“
Es gibt
aber keine einfache Antwort auf die Frage „warum Armut?“, so dal Toso.
„Ich
würde auch konzeptuell unterscheiden. Es gibt natürlich eine Armut, die wir bekämpfen
müssen. Das nennen wir Elend oder Misere. Aber es gibt auch eine Armut, die Jesus
gepriesen hat.“
Armut zeige – von einem sozialen Gesichtspunkt aus gesehen
– die Unmöglichkeit eines Menschen auf, seine Möglichkeiten ausschöpfen zu können,
so dal Toso.
„Wenn man das konkret anschaut, dann würde ich sagen, dass
man nicht mehr von Armut sprechen müsste sondern von armen Menschen, weil Armut sich
konkret in den Gesichtern von Menschen zeigt. Gerade weil es sich konkret im Angesicht
von Menschen zeigt, hat sich die Kirche in ihrer Geschichte immer für die Hilfe an
die Menschen gekümmert.“
Dal Toso erinnert hierbei an die zahlreichen Beispiele
der Hilfe, die im Neuen Testament aufgezählt werden.
„In der Apostelgeschichte
wird beispielsweise die Hilfe an armen Witwen durch die Diakone beschrieben. Die Kirche
hat also schon immer eine große Aufmerksamkeit gegenüber armen Menschen gezeigt.“
In
der heutigen Zeit gebe es zwar in vielen Ländern eine materielle Armut. Doch es gebe
auch eine kulturelle Armut, die nicht zu unterschätzen sei.
„Es gibt Menschen,
die nicht in genügender Weise eine Erziehung erhalten haben. Und in dem Sinne gibt
es auch eine geistliche Armut, weil Gott fehlt. Das bringt sehr viele Konsequenzen
mit sich. Dann gibt es auch eine Armut an menschlichen Beziehungen. Da möchte ich
an eine Kampagne erinnern, die in unseren westlichen Ländern durchgeführt wird und
die sich um die Einsamkeit von Menschen kümmert.“
Die Gläubigen müssten
mithelfen, jene Formen von Armut zu bekämpfen, die die Würde des Menschen angreifen.
„Denn
wir können auf ein menschliches Problem nur mit Menschen antworten. Deshalb ist Armut
nicht nur ein strukturelles Problem. Auf diesen menschlichen Aspekt können wir wirklich
viel bewirken. Das ist ja das, was Jesus selber sagte. Wir nähern uns nun Weihnachten
zu; Jesus wurde selber arm, um unsere Armut zu teilen. Diese menschliche Begegnung
ist für eine christliche Sicht des Problems unumgänglich.“