Kretschmann: „Der Staat gibt mir die Möglichkeit, zu glauben“
Für eine „positive
und aktive Religionsfreiheit“ sowie für eine „kooperative Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften“
hat sich der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann ausgesprochen.
Einer „laizistischen Trennung und Verbannung des Religiösen“ aus der Öffentlichkeit
erteilte der Katholik in einem Vortrag am Donnerstagabend in Berlin eine klare Absage.
Kretschmann gehört zur Partei „Bündnis 90-Die Grünen“ und ist Mitglied im Zentralkomitee
der deutschen Katholiken (ZdK).
„Die Freiheit ist der überragende Wert der
Politik. Hannah Arendt sagte dazu, der Sinn von Politik sei Freiheit. Zum modernen
Verfassungsstaat gehört, dass er diese Freiheiten des Menschen sichert. Der freiheitliche
Staat darf deshalb nicht eine eigene Weltanschauung propagieren, nicht vorschreiben
was die Menschen zu glauben haben, sondern einen Rahmen für die Entfaltung von Werten
schaffen. Der freiheitliche Staat verschafft mir also die Möglichkeit, ein frommer
Mensch zu sein, wenn ich das will – aber er schreibt mir nicht vor, was fromm ist
und wie ich fromm zu leben habe!“
Der Staat müsse die Religionsfreiheit
der Bürger und der Glaubensgemeinschaften nicht nur schützen, sondern auch fördern,
führte Kretschmann aus. Da der Staat von Voraussetzungen lebe, die er nicht garantieren
könne, so der Grünen-Politiker, sei er auf den Willen und das Handeln von Einzelnen
wie von Gemeinschaften angewiesen.
„Deswegen braucht unser demokratisches
Gemeinwesen Bürgerinnen und Bürger, die mit ihrer Freiheit etwas anzufangen wissen!
Es braucht Menschen, die an etwas glauben, die von etwas überzeugt sich, die sich
für ihre Werte und Ideale einsetzen. Denn Freisein heißt: etwas ganz Bestimmtes unbedingt
zu wollen. Und damit dieser unbedingte Wille des Einzelnen sich nicht in Egoismen
verrennt und auch nicht wirkungslos verpufft, braucht es Gemeinschaften, die gemeinsame
Werte haben und leben, die Beziehungen und Verbindlichkeit fördern und Solidarität
stärken.“
Religion richte ihre Botschaft und ihren Anspruch letztlich an
den Einzelnen, so Ministerpräsident Kretschmann. Insofern seien Religion und religiöser
Glaube grundsätzlich sehr wohl „Privatsache“. Sie seien aber zugleich auch „Teil der
Gesellschaft“ und zum Nutzen für diese.
„Insofern ist die Gesellschaft
nicht einfach die Summe aller Individualisten, wie wir ja oft meinen, sondern immer
auch die Gemeinschaft der Gemeinschaften. Und solche eine Gemeinschaft sind die Kirchen,
die Gemeinschaft der Gläubigen, die wichtigste und größte zivilgesellschaftliche Gemeinschaft.
Deswegen muss der Staat sinnstiftende Gemeinschaften, damit auch Kirchen und Religionsgemeinschaften,
fördern, weil er selbst keinen Sinn stiften kann – und auch nicht darf, wenn er freiheitlich
bleiben will. Nicht im Staat, sondern im Religiösen äußert sich die menschliche Sehnsucht
nach Fülle.“