Mit scharfen Worten
hat Italiens größte katholische Zeitschrift die angekündigte Spitzenkandidatur von
Silvio Berlusconi für die kommenden Parlamentswahlen kommentiert. Damit kehre ein
„Dinosaurier“ und „Rattenfänger“ in den Wahlkampf zurück, der das Land ins Chaos stürzen
könnte, schreibt das Wochenblatt „Famiglia Cristiana“ in seiner jüngsten Ausgabe vom
Dienstag. Der Medienunternehmer, Milliardär und Ex-Ministerpräsident stehe für ein
System, das die Probleme von Familien, Arbeitern und jungen Menschen ignoriere. „Unter
dem Weihnachtsbaum liegt eine unsichere Zukunft“, schreibt Famiglia Cristiana.
So
harsch haben sich die italienischen Bischöfe bislang nicht geäußert. Allerdings sehen
sie mit dem angekündigten Rücktritt Mario Montis nicht weniger als Italiens sozialen
Zusammenhalt in Gefahr. Giancarlo Bregantini, Präsident der Kommission für Arbeit,
Gerechtigkeit und Frieden in der Italienischen Bischofskonferenz, unterstreicht im
Interview mit Radio Vatikan die Bedeutung der Einheit in Gesellschaft und Politik:
„Man begreift inzwischen, dass die Ideale des sozialen Zusammenhalts und
des Gemeinwohls geschützt werden müssen! Die Regierung wurde bei all ihren Schritten
und wirtschaftlichen Entscheidungen von allen Parteien unterstützt, auch von denen,
die sie heute nicht mehr stützen; sie hatten immer ihre volle Zustimmung gegeben.
So kann man jetzt nicht sagen: Es ist Montis Schuld, dass es zur aktuellen Situation
gekommen ist. Allerdings sollte man jetzt ein Einheitsbewusstsein bewahren, um die
anstehenden Herausforderungen anzugehen. Das ist der Orientierungspunkt: ein Gefühl
der Einheit, das intakt bleiben, geschützt und begleitet werden muss.“
Der
Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, hatte am
Montag den angekündigten Rücktritt von Ministerpräsident Mario Monti bedauert und
als „negatives Zeichen“ für die Zukunft des Landes gewertet. Erzbischof Bregantini
versucht hingegen, optimistisch zu bleiben. Seiner Meinung nach lässt sich die Uhr
für Italien nicht mehr in die Ära Berlusconi zurückdrehen.
„Die starke
Präsenz der Demokratischen Partei ,Partito Democratico‘ (PD) bei den Vorwahlen hat
gezeigt, dass es den Willen zu einer positiven, gesunden und konstruktiven Politik
gibt, nicht zu einer Politik der Nostalgie und der Rückschritte. Es gibt den Mut für
eine Zukunft mit Lösungen, die von den Menschen gewählt wurden und die zugleich von
Kontinuität zeugen.“
Kontinuität braucht es nach Ansicht der Bischöfe auch
bei den unbequemen Entscheidungen, die Montis „Technokraten-Regierung“ traf: Der Sparkurs
müsse weiter fortgesetzt werden, so Kardinal Bagnasco im Gespräch mit einer Mailänder
Tageszeitung. Angesichts der großen Opfer, die von den Bürgern gefordert worden seien,
hätten diese nun das Recht, auch die „konkreten Früchte“ dieser Politik zu sehen,
so der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Es sei immer ein Warnsignal, wenn es zu
einem verfrühten Ende der Legislaturperiode komme. Ähnlich äußerte sich auch ein Leitartikel
der vatikanischen Tageszeitung Osservatore Romano.
Monti hatte am vergangenen
Samstag seinen Rücktritt angekündigt. Er will sein Amt aber erst nach der Verabschiedung
eines Stabilitäts- und Haushaltsgesetzes niederlegen. Das könnte nach Einschätzung
von Beobachtern noch vor Weihnachten der Fall sein.